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Nichts Neues
von der Krake

Fischler kritisiert Bertelsmann

Gütersloh (rec). Die Luft aus der Kritik am Bertelsmann-Konzern ist raus. Wer das Enthüllungsbuch von Hersch Fischler kennt, war von seinem Vortrag über die »Krake Bertelsmann« im Studio der Weberei enttäuscht. Wer es nicht kannte, wartete vergeblich auf Neuigkeiten, die den Erwartungen der reißerischen Ankündigung gerecht wurden.

Mit seinen Untersuchungen zum Rauswurf von Thomas Middelhoff zielte Fischler vor gut einem Jahr auf Schlagzeilen. Seiner Version nach trennte sich Bertelsmann von dem Manager, um nicht in die Ermittlungen zum dubiosen Verkauf der AOL-Anteile zu geraten. Ob diese Version zutrifft, sollten unter anderem weitere Ermittlungen der amerikanischen Börsenaufsicht belegen. Doch dazu hörten die 50 Zuhörer auch auf Nachfrage kein neues Wort.
Statt dessen konzentrierte sich Fischler auf »Machenschaften« der Bertelsmann Stiftung. Sie sei nur gegründet worden, um Steuern zu sparen und diene heute als strategisches Instrument, um der Bertelsmann AG den politischen Weg zu ebnen. »Wenn ein Politiker den Fernsehmogul Leo Kirch aufsuchte, machte er sich verdächtig. Kommt er zur Bertelsmann Stiftung, ist scheinbar alles in Ordnung«, sagte Fischler. Dabei besitze der größere Bertelsmann-Konzern schon heute weitaus mehr Einfluss als der Springer-Konzern mit der »Bild-Zeitung«. Wie stark Bertelsmann-Blätter manipulieren, will Fischler in seinem nächsten Projekt über unsaubere Recherchemethoden bei »Spiegel« und »Stern« belegen.
AllĂ• das packte Fischler in langatmige Erläuterungen über das Stiftungswesen in den USA und die Entstehung des Kapitalismus. Die Zuhörer aber kennen Bertelsmann aus der Nähe, teilweise aus der täglichen Mitarbeit. Sie hätten lieber über andere Themen gesprochen. Starken Applaus etwa bekam Gewerkschaftssekretärin Martina Schu, die nach der partnerschaftlichen Unternehmenskultur im Alltag fragte. Ihrer Erfahrung nach geht es im Konzern nur noch um Profit-Maximierung. Bewerber um eine Stelle bei Mohn Media müssten auf 30 Prozent des tariflichen Lohnes verzichten, wenn sie den Arbeitsplatz haben wollten. Immer mehr Führungskräfte ignorierten den partnerschaftlichen Umgang und Gewerkschaftsmitglieder würden regelrecht ausgegrenzt. »Bertelsmann gibt etwas vor, das weder nach innen noch nach außen stimmt«, stellte Schu fest.
Mit seinem Hinweis auf die schrumpfende Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter bei steigender Gewinnbeteiligung des Bertelsmann-Vorstandes griff Fischler den Ball auf, ohne das Spiel fortzusetzen. Statt dessen bekam wieder die Bertelsmann Stiftung ihr Fett weg, die maßgeblich zur Verabschiedung der Gesetze Hartz I, III und IV beigetragen habe. Zwischen Gesetzentwurf und verabschiedetem Gesetz liegt bekanntermaßen ein weiter Weg. Welchen Einfluss die Stiftung auf die Sozialgesetzgebung nun genau hatte, vermochte Fischler nicht zu sagen. Statt dessen konstruierte er nur wieder neue Legenden: »Reinhard Mohn hat im Krieg ein Strafbataillon befehligt. Der wird auch mit Politikern fertig.«

Artikel vom 01.12.2005