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Aus Briefen an die Redaktion

Nur die Umsätze
sichern Arbeit
Zur außergewöhnlichen Aktion in der Gütersloher Karstadt-Filiale, am verkaufsoffenen Sonntag das streikende Personal durch Führungskräfte zu ersetzen, erreichte uns folgende Leserzuschrift:

»Welcher Grund wird wohl hinter dieser schwer wiegenden Entscheidung des Betriebsrates im Gütersloher Karstadt-Haus stecken, den Mitarbeitern nicht zu gestatten, dass sie an dem verkaufsoffenen Sonntag am 27. November arbeiten dürfen? Sollen die Kunden vielleicht zu den Mitwettbewerbern gehen, damit sie merken, dass man auch dort gut einkaufen kann? Sind die Umsatz- und Gewinnpläne für den Monat November oder gar für das Weihnachtsgeschäft möglicherweise schon erreicht oder überschritten, sodass man auf die Umsätze und die Kunden an diesem umsatzstarken Verkaufstag verzichten möchte? Oder wäre es für die Mitarbeiter des Guten zuviel, wenn sie für diese Sonntagsstunden 120 Prozent lohnsteuerfreien Zuschlag bekommen würden? Es muss in Gütersloh einen triftigen Grund für die Ablehnung der Sonntagsarbeit geben, den es eben nur in Gütersloh gibt, denn in anderen Städten konnten die Karstadt-Filialen an diesem Sonntag von den Kunden besucht werden.
Aber die Konzernleitung wusste sich zu helfen: Sie setzte Führungskräfte ein, die aus der Zentralverwaltung und anderen Filialen kamen. Die Kunden sahen neue Gesichter. Und die Kunden kauften. Und in allen Karstadt-Filialen dieser Republik ist das Gütersloher Karstadt-Haus ein wichtiges Thema. Der Betriebsrat von Karstadt in Gütersloh gerät ins Rampenlicht der Handelswelt in Deutschland und er wird in der Geschichte des Unternehmens auf den Negativseiten einen herausragenden Platz einnehmen.
Mich erinnert das Verhalten des Betriebsrates an die Zeiten bei Hertie von 1981 bis 1988. Damals bremste die Arbeitnehmervertretung in vielen Filialen Nordrhein-Westfalens, außer in Gütersloh, zum Gefallen und auf Geheiß der Gewerkschaften so gut wie alles aus, was ökonomisch notwendig gewesen wäre. Das Ergebnis waren Verluste in astronomischer Höhe mit der Folge der Filialschließungen, die die Substanz des gesamten Unternehmens so reduzierte, dass Hertie unter das Dach von Karstadt schlüpfen musste. Und das war nicht zum Vorteil des Karstadt-Unternehmens.
Die Ablehnung der Arbeit an einem verkaufsoffenen Sonntag passt überhaupt nicht in die jetzige Zeit, in der so viel über die »betrieblichen Bündnisse für Arbeit« gesprochen und geschrieben wird. Nur mit Umsätzen können in einem Handelsunternehmen Arbeitsplätze gesichert werden. In Gütersloh hat sich der Betriebsrat gegen den Umsatz an einem verkaufsoffenen Sonntag entschieden - und damit auch nicht für die Sicherung oder Vermehrung der Arbeitsplätze.

FRANZ KIESL
33332 Gütersloh

Artikel vom 01.12.2005