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Gedankenreisen und
anderer Zeitvertreib

Arbeit mit alten Menschen - Erfahrungen nach einem Jahr

Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die Augen schließen und sich woanders hin denken. Jeder hat das schon einmal gemacht. »Gedankenreisen« sind das für Ursula Nürnberger. »Heute waren wir im Schönheitssalon.«

Ursula Nürnberger ist eine von fünf ehrenamtlichen Helferinnen, die seit einem Jahr vor allem mit demenzkranken Menschen im Altenzentrum Wiepeldoorn arbeiten. Es geht um die Alltagsmobilität dieser Menschen und mobil können nicht nur Körperglieder sein, sondern sicher auch der Geist.
»Die Frauen haben das richtig genossen«, erzählt Ursula Nürnberger. »Wir haben uns vorgestellt, dass entspannende Musik spielt und uns in den Räumen umgeschaut. Und weil kein Personal da war, haben wir uns dann selbst massiert.« Sich selbst mit der Hand übers Gesicht und die Arme streifen, das weckt die Sinne und macht fröhlich.
Außer Ursula Nürnberger gehören Sabine Sturm, Gisela Klamp, Manuela Gärtner und Barbara Schmitz zum Kreis der dafür eigens geschulten Helferinnen. Über die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW wird das Projekt finanziert, eine ehemalige Dozentin der Sporthochschule Köln hat die Schulung an vier Samstagen übernommen. Elf Personen hatten sich nach einem Aufruf im März vergangenen Jahres gemeldet. In wöchentlichen Gruppenstunden arbeiten sie seitdem mit alten Menschen. Dazu gehören Gedächtnistraining und Singspiele, Tanzen im Sitzen oder eben die Gedankenreise.
»Die Arbeit ist eine große Bereicherung für mich«, sagt Sabine Sturm. Sie ist gelernte Krankenschwester und hat im Beruf ähnliche Erfahrungen gemacht wie Ursula Nürnberger, die als Pflegekraft tätig war: »Die Zeit hat nie für mehr als das Notwendige gereicht. Man geht immer mit einem schlechten Gewissen.« Einfach Zeit zu haben für alte Menschen, das ist schon eine ganze Menge. Sie selbst merken es an der Reaktion der Leute und das Pflegepersonal des Hauses bestätigt es: Jene, die bei den wöchentlichen Gruppenstunden dabei sind, sind wacher und aufmerksamer geworden, gesprächiger, offener, mobiler.
Dabei wird niemand gezwungen. Mehr als bei anderen Altersgruppen, muss man auf das Befinden der alten Leute Rücksicht nehmen. Stimmungen schwanken und manchmal gehen bestimmte Dinge eben nicht. Anfangs war es auch schwer, Kontakt zu knüpfen. Im Gegensatz zu dem Personal sind die Frauen nicht täglich im Haus, da dauert es einige Zeit bis man bekannt ist. »Aber inzwischen kennen uns die meisten und freuen sich auf die Stunde.« Die fünf Frauen teilen sich die Arbeit, immer zwei sind in je einem der drei Wohnbereiche. Nur Barbara Schmitz muss alleine arbeiten und würde sich deshalb über Verstärkung freuen, genauso wie Pflegedienstleiterin Inge Merschmann. Wer Interesse an der Arbeit mit alten Menschen hat, kann sich bei ihr im Altenzentrum Wiepeldoorn melden.

Artikel vom 01.12.2005