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Lebenserinnerungen eines »Jungen aus Warburg«

Museumsverein hat Buch von Emil Herz neu aufgelegt - Vorwort von Sohn Arthur Herz

Warburg (WB/ski). Die Lebenserinnerungen des in Warburg aufgewachsenen Juden Emil Herz sind jetzt wieder erhältlich. Der Museumsverein Warburg hat gestern eine druckfrische Neuauflage des seit langem vergriffenen Buches »Denk ich an Deutschland in der Nacht. Die Geschichte des Hauses Steg« vorgestellt. »Wir sind sehr stolz, dass wir das hinbekommen haben«, freute sich Vorsitzender Christian Holtgreve.

Gegenüber der letzten Auflage von 1994 ist das Buch um ein Vorwort des Sohnes Arthur Herz erweitert worden. Die Bitte, ein Geleitwort zu schreiben, hatten Irmgard und August Heuel, Mitglieder des Museumsvereins, ausgesprochen, die Herz in seiner amerikanischen Heimatstadt Rochester besuchten. Von dort brachten sie auch die Information mit, dass die Familie Herz Ende Dezember Warburg, die Stadt ihrer Vorfahren, besuchen wird.
Das jetzt neu aufgelegte Buch ist vor mehr als 50 Jahren in Emil Herz' amerikanischem Exil in Rochester/New York entstanden 1951 kam die erste Auflage aus dem Ullstein-Verlag auf den Markt; die zweite Auflage erschien bereits zwei Jahre später. 1994 gab Kurt Scheideler im Hermann-Hermes-Verlag einen ersten Nachdruck heraus, an dem sich die jetzt vorgelegte Auflage orientiert.
Das Erinnerungsbuch von Emil Herz ist zum einen eine liebevolle Hommage an Warburg und das Leben in der Kleinstadt an der Diemel im späten 19. Jahrhundert. Zum anderen dokumentiert es das deutsch-jüdische Verhältnis am Beispiel der Geschichte der Familie von Emil Herz. Als Ausgangspunkt diente dabei der Rabbiner Samuel Steg, der Ahnherr der Familie, der am Ende des 18. Jahrhunderts in Warburg wirkte.
Emil Herz wurde 1877 in Essen geboren und wuchs ab 1880 in Warburg auf. 1896 legte er am Gymnasium Marianum das Abitur ab. Nach dem Studium wurde er eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Verlagslandschaft. Unter seiner Regie erschien im Berliner Ullstein-Verlag zum Beispiel die berühmte Propyläen-Weltgeschichte.
1934 zwangen ihn die nationalsozialistischen Machthaber zum Rückzug aus dem Verlag, dem er mehr als 30 Jahre die Treue gehalten hatte. Vier Jahre später gelang ihm mit seiner Familie die Flucht in die USA.
Das erste Kapitel des Buches beginnt mit dem kennzeichnenden Satz: »Ein Idyll aus dem Mittelalter, hineinversetzt in die Gegenwart, eingebettet in den Boden der westfälischen Erde, so steht meine Heimatstadt Warburg vor mir.« Es folgt eine liebevolle Schilderung seiner Kindheit in Warburg, des Lebens im Lehrerhaus seines Großvaters Juda Oppenheim, des Zusammenlebens von Christen und Juden in der Stadt.
Einfühlsam schildert er den Gang der Geschichte in der Neuzeit unter dem Aspekt des deutsch-jüdischen Verhältnisses. Das Buch endet mit seinen Gedanken, die zurückkehren nach Warburg und den jüdischen Friedhof aufsuchen, der sich ihm »weitet zu einem Friedhof für alle deutschen Juden«. Sein Sohn Arthur Herz bezeugt die Aussage, sein Vater habe noch im hohen Alter immer wieder davon gesprochen, dass er »ein Junge aus Warburg« sei.
Das Buch zählt 340 Seiten und ist zum Preis von 15 Euro ab sofort im örtlichen Buchhandel und im Museum erhältlich. Bereits zur ersten Auflage von 1951 schrieb der Tagesspiegel: »Der Band weitet sich, das Einzelschicksal den größeren Zusammenhängen einfügend, zu einer ergreifenden Darstellung des Schicksal der Juden in Deutschland..«

Artikel vom 30.11.2005