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Das Wort zum Sonntag

Von Klaus Herbrand, Diakon in St. Anna, Stahle


Vor einigen Tagen hörte ich folgendes Gedicht: »Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, und wenn die fünfte Kerze brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.«
In diesem Jahr kann uns die Zeit bis Weihnachten wirklich wie fünf Adventssonntage vorkommen. Bereits an diesem Wochenende feiern wir den ersten Advent und nach dem vierten Advent vergeht noch eine volle Woche bis endlich der Heilige Abend da ist.
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Was ist denn Advent? Was bedeutet Advent für Sie angesichts des bereits im Oktober angebotenen »Weihnachtsgebäcks«? Was bedeutet Advent für Sie? Für mich bedeutet Advent zunächst einmal ... warten und zwar in einem doppelten Sinn. Die Adventszeit ist auf der einen Seite Vorbereitungszeit auf das weihnachtliche Hochlest. Wir feiern die Ankunft (Geburt) Jesu vor circa 2000 Jahren. Auf der anderen Seite ist Advent für mich auch die Erwartung seiner angekündigten Wiederkehr.
Advent, Advent... »Bitte warten. Bitte warten.« Sicherlich kennen Sie die Automatenstimme aus dem Telefon. »Bitte warten.« Glauben Sie auch an eine Wiederkunft Christi? Glauben Sie denn an seine erste Ankunft?? Ich warte. Ich warte nicht, weil ich gezwungen werde. Ich warte, weil ich warten darf. Das eine geschieht in wachsender Ungeduld, Gereiztheit und Aggressivität. Das andere geschieht in Gelassenheit. Da können sich still und unbemerkt neue Kräfte entwickeln, trotz der vielen Arbeit, trotz der unglaublich vielen Jahresabschluss- und Adventsfeiern.
Das Wartenmüssen fällt uns schwer, ob das bei einer Behörde oder an der Ladenkasse ist, ob wir auf einen wichtigen Besucher warten oder auf einen medizinischen Befund. »Bitte warten. Bitte warten.«
Das Warten zehrt an unseren Nerven, wir sind der Uhr oder der Unsicherheit ausgeliefert. Gegen diese negative Erfahrung des Wartenmüssens setzt der Advent das Warten der Gelassenheit. Gelassenheit entsteht nur durch Loslassen. Wenn es uns gelingt, tatsächlich etwas loszulassen, werden wir zu einer ganz neuen Form der inneren Ruhe finden. Dann werden wir feststellen, dass darin unsere wirkliche Kraft liegt. Diese Ruhe pflanzt noch am Tag vor dem drohenden Weltuntergang voller Zuversicht ein Bäumchen.
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine ruhige Adventszeit und ein geduldiges Warten auf den Heiligen Abend.

Artikel vom 26.11.2005