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Zwischen Poesie und Parodie

Abwechslungsreiche Gäste bei der »WDR-Liedernacht« in Paderborn

Von Manfred Stienecke
(Text und Fotos)
Paderborn (WV). Mit einem erlesenen Programm wartete die »WDR-Liedernacht« in der Paderhalle auf, doch die heimischen Kleinkunstfreunde zeigten sich wählerisch.

Nur gut zur Hälfte gefüllt präsentierte sich die Halle am Samstag Abend bei der bereits 14. Auflage des Song-Klassikers. Doch wer zu Hause geblieben war, verpasste vier exzellente Künstler, die jeder für sich allein den Besuch wert gewesen wären. Unter der gewohnt launigen Moderation von Erwin Grosche, der von Gast Konrad Beikircher nachträglich noch Geburtstags-Glückwünsche als »unser Ringelnatz« und »der mit Abstand größte Poeten-Poet« bekam, rollte ein gut zweieinhalbstündiges Programm ab, das es an Abwechslung nicht mangeln ließ.
Der Kölner Chansonnette und Kabarettistin Andrea Badey war es vorbehalten, das Publikum an diesem kalten Novemberabend »aufzutauen«. Gemeinsam mit ihrem musikalischen Begleiter Stefan Kaspring am Flügel balancierte sie gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Poesie und Parodie.
»Wunden gibt es immer wieder« hieß ihr halbstündiges Schnupperprogramm - dabei freilich ließ sie weniger an Katja Ebstein denken, bemühte sich vielmehr um Reverenz an die große deutsche Bühnendiva Hildegard Knef. Ihr widmete sie mehrere ihrer tiefgründig-gefühlvollen, bisweilen auch bissig-satirischen Lieder. Auch wenn sie äußerlich mit keck aufgesteckter Frisur und der Art, ihr Publikum anzusprechen, ein wenig an die Comedy-Ulknudel Gaby Köster erinnert, verfügt sie über deutlich größeres Potenzial: exzellente Texte und vor allem eine zupackende und wandlungsfähige Altstimme, die das freche Couplet ebenso markant interpretiert wie die rauchige Swingnummer.
Für das kabarettistische Feuerwerk des Abends sorgte der Mainzer Solokünstler Lars Reichow. Seine Geschichten sind schwarzhumorige, hintergründig-bodenlose Alltagssatiren, die immer wieder typisch deutsche Untugenden aufs Korn nehmen. Zwischendrin verschießt er auch bitterböse Gedankensplitter: »Die Wahl des neuen Papstes zeigt, dass sich eine 500-jährige Reformpause für Deutschland auszahlt«, witzelt Reichow und bemerkt treffend: »Wir sind weltweilt führend im Bierzelt-Geschunkel.«
Zum eigentlichen Erlebnis werden seine kabarettistischen Tiraden aber erst durch die grandiose Tastenbegleitung. Er entlockt seinem Flügel regelrechte Klanggewitter, die das Wortgefecht illustrieren und akustisch auf den Punkt bringen. Nach dem abschließenden irrwitzigen Deutschland-Rap entlässt ihn das begeisterte Publikum erst nach einer Zugabe in die Garderobe.
Entspannter zuhören lässt sich dann bei Konrad Beikircher. Der Bozener Kabarettist, Komponist und Autor mit Wahlheimat Köln darf den zweiten Teil des Abends allein mit seiner dreiköpfigen Begleitcombo bestreiten. Wer ihn bislang vor allem nur als poetisch-brillanten Radiounterhalter kennt, wird überrascht gewesen sein: Der temperamentvolle Südtiroler präsentierte einen reinen Adriano-Celentano-Abend. Von frühen Rock'n-Roll-Nummern des Italieners ging's rasch zu seinen bekannten Schlagerhits (»Soli«, »Azurro«, »Una festa sui prati«), die dann auch vom Publikum dankbar mit rhythmischem Klatschen gefeiert wurden.

Artikel vom 28.11.2005