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Wohldosierte
Übertreibung

Schillers »Parasit« in Studiobühne

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Wenn einem schmierigen Emporkömmling das Handwerk gelegt und sein niederträchtiger Charakter offenkundig wird, dann freuen sich die Beteiligten. Wird der Schurke auf kurzweilige Weise im Theater enttarnt, dann hat - wie in der Uni-Studiobühne - auch das Publikum seinen Spaß daran.

»Der Parasit« heißt dieses Lustspiel von Friedrich Schiller, das unter der heute gespielten Bühnenliteratur weitgehend aus dem Blickfeld geraten ist und das geschickt seine Lehrsätze über Moral im öffentlichen Amt mit Hilfe einer komödiantischen Handlung transportiert. Schiller verzichtet auf den mahnend erhobenen Zeigefinger, er lässt den Fiesling stattdessen über seine eigenen Tricksereien stolpern und stattet auch das übrige Personal mit Eigenschaften aus, die Anlass zu Heiterkeit geben.
Der Vorzug dieses Stücks liegt damit nicht nur in der Zeitlosigkeit des Themas, es bietet zudem den Schauspielern die Chance, komödiantische Talente zu entfalten.
Dirk Früchtenicht und sein neunköpfiges Ensemble nutzten die Vorlage mit überwiegend gutem Ergebnis: Sie zeigten Freude an der wohldosierten Übertreibung, bedienten sich einer lebhaften Mimik, die alle Worte überflüssig machte, und gaben in Körperhaltung und Aussprache ihren Charakteren so eindrucksvoll Gestalt, dass ein erhellender Blick ins Programmheft überflüssig wurde. Denn bisweilen ging es auf der Bühne turbulent zu: Tür auf, Tür zu; geheime Absprachen und Missverständnisse, Verwechslungen und Verwicklungen bis zum Schluss.
Besondere Anerkennung haben sich Rüdiger Meyer in der Rolle des intriganten Ministerialbeamten Selicour und Marc Kröger als dessen Opfer und Rächer La Roche verdient - verschlagen der eine, einfältig der andere. Sie spielten ihre Figuren so überzeugend, dass sie immer wieder Zwischenapplaus und heiteres Gelächter ernteten.
In den übrigen Rollen agierten Michael Guttmann, Christian Kahnt, Patrick Kohler, Vanessa Potthoff, Martin Richter, Robert Strunz und Julia Suckut. Regisseur Früchtenicht hielt an der Originalsprache Schillers fest und verzichtete glücklicherweise auch auf alle anderen Modernisierungsversuche des Stoffs. Kostüme und Bühnenbild (Sarah Schweitzer, Hannah Kohlhaas) waren zum Teil historischen Vorbildern nachempfunden.
Das Publikum erlebt mit dieser Inszenierung, die in 70 Minuten alle Bestandteile eines gelungenen Lustspiels zusammen bringt, einen unbeschwert heiteren Theaterabend. Daran vermag auch der Schlusssatz des Ministers: »Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne!« nichts zu ändern, denn er spricht nicht im Zorn, sondern in abgeklärter Lebensweisheit.

Artikel vom 26.11.2005