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Auch die Letzten waren Sieger

200 behinderte Schwimmer verbreiten Super-Stimmung bei den Special Olympics

Von Jens Twiehaus
(Text und Fotos)
Paderborn (WV). Carsten Beilfuss ist optimistisch. »Meine Chancen sind immer gut, aber wenn's nicht klappt, ist es auch nicht schlimm.« So soll es sein bei den Special Olympics. Am Wochenende schwammen 200 Behinderte in der Schwimmoper um die Wette - getreu dem Motto »Dabei sein ist alles«.

Der 19-jährige Carsten hatte gleich eine besondere Ehre: Gemeinsam mit Paderborns Top-Leichtathletin Claudia Tonn marschierte er in die Schwimmhalle ein und entzündete das olympische Feuer. Und wie bei den »richtigen« Olympischen Spielen leisteten die Athleten einen Eid: »Lasst mich gewinnen und wenn ich nicht gewinnen kann, dann lasst mich mutig mein Bestes geben.« Die Paderborner Vereine TuRa Elsen, Ahorn Panther und die Behindertensportgemeinschaft nahmen sich dies zu Herzen.
Das Prinzip der Special Olympics umreißt TuRa-Trainer Gunnar Brand: »Jeder bekommt hier eine Medaille, unabhängig von der Platzierung«. Das gebe den Behinderten unheimliches Selbstvertrauen, »denn sonst stehen sie immer am Rand der Gesellschaft.«
Auch wenn jeder eine Medaille bekam, gekämpft wurde trotzdem. Die Jungs von der Lebenshilfe Detmold waren immer ganz aus dem Häuschen, wenn einer ihrer Kameraden durchs Becken pflügte. »Hermann, du schaffst es«, schallte es durch die ganze Halle. Und Hermann Pecht schien die Anfeuerungen zu hören und schlug nach 50 Metern als Erster an. »Die sind immer topmotiviert, was die hier zeigen, ist mehr als Badespaß«, lachte Tobias Krüger, der die Schwimmer als Zivi begleitete.
Doch nicht alle der Teilnehmer waren körperlich so fit wie Hermann Pecht. Auch körperlich Behinderte schwommen um die Plätze. Besonders eindrucksvoll tat dies Indro Choudhuri. Der junge Mann aus Mönchengladbach hat keine Hände und nur einen Unterschenkel. Er startete außer Konkurrenz mit seinem Trainer als Begleiter. Der passte auf, dass Indro nicht untertauchte. Aber er schaffte es, freute sich wie ein frischgebackener Weltmeister und die Halle tobte. Für seinen Willen gab es Gold und einen Pokal.
Darüber freute er sich, als wenn Weihnachten und Geburtstag auf einen Tag fallen. Das wiederum trieb Eva Kremliczek fast Tränen in die Augen. Die SPD-Politikerin ist Vorsitzende des Fördervereins Special Olympics in Paderborn und war das ganze Wochenende ganz dicht am Schwimmbecken. Auch um ihre Tochter Stephanie anzufeuern, die ebenfalls behindert ist. »Es ist toll, wie viel Begeisterung von den Behinderten eingebracht wird«, sagte Kremliczek. Für die Organisation schöpfe man alle Motivation aus der Freude der Behinderten. »Es ist großartig, wie glücklich sie sind, egal welchen Platz sie erreichen.«
Da konnte auch Claudia Tonn nur zustimmen. »Diese besondere Freude geht im Leistungssport oft verloren«, bedauerte sie. Deshalb habe sie auch keinen Augenblick gezögert, als man sie um ihre Unterstützung bat. Die Schirmherrschaft übernahm die SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Berg. Und richtig ins Schwitzen kamen die freiwilligen Helfer, die den Behinderten zur Hand gingen, sie zu ihren Startblöcken lotsten und ihre Sachen verwalteten, während sie im Wasser waren.
Als Hauptorganisator zeichnete sich Michael Brumby verantwortlich. Auch er freute sich, wie gut die Stadt kooperiert hat und die Zusammenarbeit von TuRa Elsen, den Schlosswerkstätten und dem Stadtsportverband funktionierte.
Da machten auch die Absagen von fünf Vereinen keine Probleme. »Fünf Teams mussten wetterbedingt absagen. Manche sind gar nicht erst losgefahren, aber ein Verein ist sogar auf der Autobahn stecken geblieben«, bedauerte Michael Brumby.
Den Wettbewerb behinderte das jedoch nicht. In vielen Läufen zeigten die männlichen und weiblichen Schwimmer ihr Können, im Brust- oder Rückenschwimmen oder Freistil über 21, 50 oder 100 Meter. Trotz des Spaßcharakters im ganzen Wettbewerb, wer die offiziellen Regeln des Deutschen Schwimmverbandes massiv brach, wurde disqualifiziert. Aber die behinderten Sportler freuten sich auch über eine Kupfermedaille für den letzten Platz. Disqualifiziert wurde auch, wer zu gut war, denn es sollten Gleichstarke gegeneinander antreten. Eine 15-Prozent-Differenz war erlaubt. Feuerträger Carsten Beilfuss wurde das zum Verhängnis. Sein Optimismus vom Anfang bestätigte sich, er schwamm »wie der Teufel« - und wurde disqualifiziert.
Ergebnisse
Podestplätze50 m Freistil Frauen: Clara Fechteler, Stephanie Kremliczek, Bettina Drewes, Sabine Köster, Christiane Radzkowski, Männer: Gassan Jeha, Udo Polenske, Michael Schmidt, Michael Bunge, Andreas Bartscher, Wolfgang Kroll, Felix Pothmann.
50 m Brust Männer: Pascal Hennig, Andraes Stieren.
100 m Freistil Frauen: Maria Bock, Carola Nicklisch, Männer: Daniel Lobbenmeier, Mario Rudolphi, Andreas Berg, Thorsten Thiele, Michael Schmidt, Pascal Hennig, Carsten Beilfuss, Michael Bunge
21 m Freistil Männer: Marc Förster, Frauen: Bettina Drewes, Stephanie Kremliczek, Sabine Köster, Anna Remmert, Anna Hils

Artikel vom 28.11.2005