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»Stärker auf Leistung setzen«

6. Unternehmertag - Professor Peter Freese kritisiert Bildungspolitik

Von Bernd Steinbacher (Text)
und Matthias Kleemann (Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »In den fünfziger Jahren haben wir ÝGastarbeiterÜ ins Land geholt, damit sie Arbeiten übernahmen, die wir nicht machen wollten. In den neunziger Jahren haben wir mit Hilfe der Greencard neue ÝGastarbeiterÜ anzuwerben versucht, damit sie die schwierigen Arbeiten übernahmen, die wir nicht machen konnten. Das ist eine erschreckende Entwicklung«, sagte Peter Freese, Professor an der Universität Paderborn, beim 6. Unternehmertag am Donnerstag Abend im Rathaus.

Mehr als 90 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Institutionen, die sich mit Wirtschaft, Bildung und Arbeitsvermittlung befassen, hatten sich zum Unternehmertag versammelt.
»Wir brauchen zwar dringend mehr Geld für unsere Bildungssysteme, um möglichst alle jungen Menschen zu fördern, aber wir könnten manche Verbesserung erzielen, wenn wir nur den Mut hätten, wieder stärker auf Leistung zu setzen und von Kindern und Jugendlichen und von ihren Eltern mehr zu fordern«, zog Professor Freese ein Fazit seiner Rede über »Bildung und Ausbildung für eine globalisierte Welt«. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsse man besser werden, nicht billiger. Das bedeute, bessere Bildung und Ausbildung zu schaffen. Dafür erhielt er viel Beifall der Gäste, hatte er doch beleuchtet, das Geld allein nicht reicht, sondern Fehler verschwinden müssen.
Er sprach sich für Studiengebühren aus, damit die Universitäten das Geld in bessere Ausstattung stecken könnten. Dass Deutschland deutlich weniger Geld für Schulen und Hochschulen ausgebe als andere Länder, liege nicht zuletzt an der gesellschaftlichen Geringschätzung von Bildung. Der Streit über die Einführung von Studiengebühren mache dies deutlich. Deutschland sei eins der letzten Länder, in denen Universitätsbildung kostenlos gestellt werde. Und während in den USA, England oder Frankreich ein achtsemestriges Studium auch acht Semester dauere, dauere es in Paderborn 10,2 und in Berlin 14,8 Semester. Nach Einführung von Gebühren für Studenten, die länger als die offizielle Studiendauer plus 50 Prozent studieren, hätten sich in NRW rund zwölf Prozent der Studenten abgemeldet. »Das waren zumeist keine sozial schwachen Arbeiterkinder, sondern Menschen mit 15 bis 30 Semestern, die die Annehmlichkeiten kostenfrei nutzen wollten. Wenn Studiengebühren als unsozial verteufelt werden, dann frage ich: Was ist daran sozial, dass eine allein erziehende Mutter 300 Euro für einen Hortplatz bezahlen muss, damit sie arbeiten kann, während die Tochter eines Chefarztes jetzt noch zwölf Semester lang kostenlos studieren darf«, so Freese. »Natürlich sind Studiengebühren nur zu verantworten, wenn mittellose aber begabte Studenten Stipendien bekommen«, betonte er.
»Es war eine bemerkenswerte Rede«, sagte beispielsweise Peter Zurheide, Vorstandsmitglied der Volksbank Brackwede. Diese habe angeregt, über das Bildungssystem nachzudenken. Viele Strukturen müsse man in Frage stellen. Viele der Gäste diskutierten im Anschluss beim Essen über die Anregungen und vertieften Kontakte.
Den Unternehmertag nutzten auch Angelika Pötter, stellvertretende Geschäftsführerin der GT aktiv, und Nana Akosua Dua, Arbeitsvermittlerin bei GT aktiv, um ihre Arbeit vorzustellen. »Wir betreuen Arbeitslosengeld-II-Empfänger und versuchen sie zu vermitteln«, sagte Angelika Pötter. »Förderungen sind möglich, Trainingsmaßnahmen machbar«, warb Nana Akosua Dua bei den Unternehmern, Arbeitslosen eine Chance zu geben und bot sich als zuständige Gesprächspartnerin für Schloß Holte Stukenbrock an.
Hans-Werner Boden stellte seine Arbeit als Übergangscoach vor, der durch Zusammenarbeit mit Behörden und Firmen versucht, mehr Schüler mit Hauptschulabschluss in eine Ausbildung zu bringen. Was an Hilfe für ausbildungswillige Betriebe möglich ist, stellte Volker Aumann mit dem Beruflichen Ausbildungsnetzwerk im Gewerbebereich (BANG) vor. Unternehmen der Metallverarbeitung haben sich zusammengeschlossen, um Ausbildung effizienter und qualitativ hochwertiger anzubieten und mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. So wurden damit beispielsweise in Hövelhof Erfolge erzielt.

Artikel vom 25.11.2005