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Urteil lautet »schuldig«
in Sachen Großprojekte

Harsche Kritik an Vorgehensweise des Bürgermeisters


Ein vernichtendes Urteil fällt dieser Leser über den Umgang der Stadt mit Großprojekten und der sich daraus ergebenen Kritik an Bürgermeister und Verwaltung.
Die Verträge mit Blick auf die Kammerspiele sind »null und nichtig«, wie geschrieben stand, die Multifunktionshalle wurde nach Klageandrohung Dritter von der Stadt zurückgezogen, wohl wissend, dass rechtliche Vorschriften bei der Planung nicht hinreichende Würdigung erfahren haben, und endlich wurde die Paragon-Arena aufgrund »offensichtlich rechtswidriger« Planung, wie das Oberverwaltungsgericht in Münster befand, gerichtlich gestoppt. Und das Rolandsbad wird mit fragwürdigen Berechnungen kleingerechnet, so dass nunmehr ein Bürgerentscheid notwendig wird.
Und die Frage wird im öffentlichen Raum diskutiert, wer für all die Verzögerungen und Missstände die Verantwortung trägt? Dabei wird auch gefragt, wieso andere Städte vergleichbare Projekte erfolgreich auf den Weg haben bringen können und Paderborn nicht? Und schnell sind - wie leider üblich - Minderheiten ausgemacht, die die Schuld tragen sollen, weil diese rechtskonformes Handeln einklagen. Die These sei erlaubt: andere Städte haben vergleichbare Projekte schlicht deshalb erfolgreich realisiert, weil man dort auf dem Boden des geltenden Rechts plante.
Ich glaube, die Verantwortlichen der Stadt Paderborn machen sich gar keine Gedanken, welchen geistig-ideellen Flurschaden - jenseits des schon eingetretenen finanziellen Schadens - sie mit ihrem Vorgehen anrichten können: Sie befördern die fatale Vorstellung einer nahezu beliebigen Rechtsauslegung, sofern es der Stadt nur opportun erscheint: Wo die Stadt interessiert und engagiert ist, handelt sie »unbürokratisch«, was nichts anderes heißt, als dass Rechtsvorschriften so lange »flexibel« gehandhabt werden, bis sie endlich »passen« und man machen kann, was man vor der Flexibilisierung nicht hätte tun dürfen. Nur der Blick durch die rosarote Brille lässt dann rechtskonform noch erscheinen, wo Gerichte die gelbe oder lieber gleich die rote Karte zeigen. Den mutigen Minderheiten in der Stadt ist es gedankt, auf eine solche bedenkliche Entwicklung durch Anrufung der Gerichte aufmerksam gemacht zu haben.
Was aber nach wie vor bedenklich stimmt, sind die Einlassungen des Bürgermeisters zur rechtswidrigen Stadionplanung oder auch zur Einhaltung geltenden EU-Rechts bei den Kammerspielen. Anstatt dass man sich geläutert zeigt und Besserung gelobt, wird eine sonderbare Sprachregelung gepflegt und eine uneinsichtige Geisteshaltung offengelegt.
Man stelle sich einen Menschen vor, der von einem Zeugen bei der Polizei wegen eines beobachteten Rechtsbruches angezeigt wird. Der Angezeigte aber beklagt sich: man hätte ihn »„angeschwärzt«. Mehr noch: Derselbe Mensch bekommt bei einem ersten Verfahren einen Freispruch zweiter Klasse, in der Berufung durch den Staatsanwalt aber wird er - weil er ein Wiederholungstäter ist - dann doch verurteilt. Auf seine Schuld befragt, verweist dieser auf den Freispruch zweiter Klasse aus erster Instanz. Einsicht in das eigene Fehlverhalten liegt nicht vor. Unser Mensch wähnt sich trotz Verurteilung unschuldig.
Das formale Vorgehen durch die Stadt und durch den Bürgermeister ist jenseits inhaltlicher Ähnlichkeiten genau dasselbe. In Kenntnis geltenden EU-Rechtes wollte man an diesem vorbei still und leise Fakten schaffen und die Kammerspiele bauen. Die Anzeige durch den »Zeugen«, der dieses fragwürdige Vorgehen bemerkt hat, wird von dem Bürgermeister als »Anschwärzen« tituliert. Eine - mit Verlaub für einen Bürgermeister und Verwaltungsrechtler zumal - sehr unangemessene Wortwahl!
Eine Entschuldigung täte Not. Das OVG Münster nun stellt mit Blick auf den Stadionbau einen eklatanten Rechtsbruch fest, und dem Urteil muss die Stadt sich beugen. Aber von Einsicht in das eigene Fehlverhalten: keine Spur, wo der Bürgermeister das Mindener Urteil in der Öffentlichkeit beständig und zur allgemeinen Peinlichkeit der Stadt Paderborn auch noch im Fernsehen im Munde führt. Was für ein Rechtsverständnis wird hier einem Millionenpublikum offenbart? Und auch das vierte Großprojekt - der Bau des Rolandsbades - steht in derselben Linie zweifelhaften Denkens und Handelns. Beispiel gefällig: Um den Kostendeckungsgrad des Bades zu ermitteln, nimmt man üblicherweise einen Durchschnittswert aus den letzten zehn Jahren. Die Stadt aber hat unseriöserweise, weil es so schön »passte«, nur das besonders schlechte Jahr 2002 zur Berechnung desselben herangezogen. Sie hätte natürlich auch das Jahr 2003 nehmen können, das aber hätte ihrer Argumentation völlig widersprochen und die des Vereins »Rettet das Rolandsbad« bestätigt. Man sieht: Das zweifelhafte Handeln scheint in der Führungsetage der Stadt System zu haben.
PROF. NORBERT SCHLÄBITZMentropstraße 79 Paderborn

Artikel vom 07.12.2005