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»König Kappes« nun ein RSVer

Spektakulärer Coup: 39-jähriger Profi fuhr schon »alle Rennen dieser Welt«

Von Dirk Heidemann
Gütersloh (WB). Fünf »Winter Specials« kredenzt Inhaber Hans-Hermann Fischer in der Zeit von Oktober bis März seinen Gästen im »Miner's Coffee«. Daher war die Lokalität vom RSV Gütersloh optimal gewählt, um im kühlen November sein eigenes »Winter-Special« zu präsentieren: Das heimische Radsportteam weiß in der kommenden Saison mit Andreas Kappes einen der erfolgreichsten deutschen Rennfahrer aller Zeiten in seinen Reihen.

Pünktlich zum 75-jährigen Bestehen im Jahr 2006 ist dem RSV damit ein spektakulärer Coup gelungen. »Ich bin froh, dass alle so gut dicht gehalten haben und wir die Gespräche geheim halten konnten. Andreas ist, vom Sportlichen mal ganz abgesehen, vor allem menschlich ein Gewinn für unseren Verein und tut dem Image der ganzen Stadt gut«, strahlte RSV-Boss Michael Leonhardt über das ganze Gesicht.
»Der Kontakt besteht schon lange. Vor drei Jahren waren wir bereits nah dran, zusammen zu kommen. Es wurde also quasi nur verschoben«, bestätigte der 39-jährige gebürtige Bremer Kappes, dass die Chemie zwischen ihm und den rührigen Vereinsverantwortlichen stimmt - seine stetigen Teilnahmen an den RSV-Rennen in Gütersloh (Rekord-Sieger mit seinen Triumphen 1985, 1997, 2004 sowie 2005) und Steinhagen belegen dies.
Dass es nun endlich klappte, hat der RSV der unermüdlichen Arbeit seines sportlichen Leiters Hansi Eggert und der Brauerei Bitburger zu verdanken. Denn die strich nach der Übernahme des Konkurrenten König-Pilsener das Budget für das gleichnamige Team des in Köln wohnenden Kappes, das dann auseinander brach. Der Weg war somit frei. Nach einem zehntägigen Trainingslager auf Gran Canaria sowie vier noch ausstehenden Sechs-Tage-Rennen im Frühjahr (Bremen, Stuttgart, Berlin und eine Veranstaltung in Belgien) wird der jeweils fünfmalige Giro d'Italia- und Tour de France-Finisher das RSV-Trikot tragen.
Als Kapitän des Gütersloher Amateurteams soll Kappes dann Siege einfahren - und seine Mannschaftskollegen in aussichtsreiche Rennsituationen bringen. »Die Jungs, die in meinem Trikot fahren, haben den Vorteil, dass meist alle auf mich achten. Dadurch können sie dann selbst ihre Chance nutzen«, erklärt der seit 1987 als Profi radelnde Kappes, der mittlerweile als Sechs-Tage-Spezialist einen Sonderstatus besitzt: »Ich bin alle Rennen dieser Welt gefahren und nicht der Typ, der noch einmal eine WM gewinnen muss. Ich fahre, weil ich Spaß an meinem Beruf habe.«
Der »Beruf Radfahrer« bringt für den RSV den Vorteil mit sich, dass Kappes sich als selbstständiger Unternehmer auch um seine eigenen Sponsoren bemüht. Die Vereinskasse wird somit trotz der beeindruckenden Vita des zweifachen Familienvaters (»Keine Ahnung, wie viele Siege ich auf meinem Konto habe«) nicht belastet. »Meine Kinder laufen zumindest angezogen durch die Gegend«, antwortet Kappes auf die Frage, ob er vom Radsport noch gut leben könne und fügt an: »Es waren ja auch ein paar fette Jahre dabei.«
Durch die Verpflichtung des ehemaligen Junioren-Weltmeisters sieht sich Hansi Eggert auch in seiner Einschätzung bestätigt, dass der RSV »nicht auf der untersten Stufe« in der Radsport-Hierarchie steht: »Wir geben zwar ab, holen aber auch namhafte Leute.« Ein Abgang ist David Dudek, dem der Verein bei seinem Wechsel zum Team Sparkasse Bochum keine Steine in den Weg gelegt hat. »Wenn er gewusst hätte, dass wir hier heute sitzen, wäre er vielleicht nicht gegangen und noch ein Jahr geblieben. An meiner Seite hätte David weiter wachsen und sich dann im Profibereich noch besser zurecht finden können«, denkt Kappes, mit dem der RSV zumindest den Status als Nummer zwei im Amateurbereich in NRW verteidigen - oder sogar noch höher hinaus will.
Hilfreich könnten dabei natürlich auch Kappes Kontakte sein, ähnlich wie die des ebenfalls beim RSV ausgeschiedenen Alberto Kunz. Eggert schmunzelnd: »Dank Alberto haben wir die Einladung für die nächste Cuba-Rundfahrt bereits in der Tasche. Er selbst versucht hingegen nun krampfhaft, mit seinem neuen Team Heinz van Heiden einen Startplatz zu ergattern.«

Artikel vom 21.11.2005