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Rettungsaktion für Dechanei

Dramatischer Schädlingsbefall: Nagekäfer gefährdet Höxters Schmuckstück

Von Harald Iding
Höxter (WB). Er ist fünf bis neun Millimeter groß und kommt dunkelbraun mit rötlich-gelben Haarflecken daher -Êder gemeine Nagekäfer, auch »Xestobium rufovillosum« genannt. Der »Untermieter« ist zwar nur ein Insekt, aber er kann alte Gebäude mit der Zeit zum Einsturz bringen!

In der Weserstadt herrscht »Alarmstufe Rot«. Denn der gescheckte Käfer hat tragende Teile der Dechanei befallen, wie jetzt überraschend bei anderen Sanierungsarbeiten zum Vorschein kam. »Tatort« des massiven Schädlingsbefalls ist die prächtige Dechanei, ein ehemaliger Adelshof aus der Frührenaissance. Grundlage sind zwei mittelalterliche Steinhäuser, die 1563 (linke Haushälfte) und 1570 (rechte Hälfte) mit Aufbauten aus Fachwerk von der Familie von Amelunxen erweitert wurden. »Heute sind hier die Wohnungen des Pfarrdechanten und des Vikars, ein Einzimmerappartement, das Pfarrbüro, der Kolpingsraum und ein Saal beherbergt«, sagt Dipl.-Ing. Albert Henne. Der Architekt und auch Pfarrdechant Andreas Kurte (kath. Kirchengemeinde St. Nikolai) zeigten gestern dem WESTFALEN-BLATT den immensen Schaden, der durch den Befall entstanden ist.
Dabei hat im Sommer mit der ursprünglich geplanten Fassadensanierung alles so optimistisch angefangen. Längst sollte das Gerüst abgebaut sein, damit wieder freie Sicht auf das Lieblingsmotiv der Fotografen herrscht. Ursprünglich waren rund 140 000 Euro veranschlagt, um »nur« die »Bausünden« der 1970-er Jahre zu korrigieren. Damals wurde zur Sanierung alter Gebäude das »Epoxyd-Harz-Verfahren« favorisiert. Mit fatalen Folgen: Harz, das seinerzeit aufgetragen wurde, verhärtet sich im Laufe der Zeit wie Beton. Gerade an Übergangsstellen führt das zu Rissen. Wasser gelangt ins Holz, das so im Laufe der Jahre immer mehr geschädigt wird. »Der akute Holzkäfer-Befall bringt uns jetzt in eine schlimme finanzielle Notlage«, betont Pfarrdechant Kurte besorgt. Denn schnell könne die Renovierung der Fassade mit umfassender Schädlingsbekämpfung einen Betrag von 300 000 Euro erreichen -Êund selbst dann habe man bei der von feinen Holzschnitzereien geprägten Außenfassade nicht die Sicherheit, dass der Käfer zukünftig einen großen Bogen um das beliebte Gebäude macht. Jetzt soll die Statik neu überprüft und alle schadhaften Stellen ersetzt werden. Ein modernes Thermoverfahren könnte den Käfern den Garaus machen. Dechant Kurte: »Wir brauchen jetzt dringend finanzielle Unterstützung von allen Seiten, zum Beispiel über den Denkmalschutz. Wir allein können diese Sanierung nicht mehr stemmen!«

Artikel vom 19.11.2005