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Eine oscarreife Vorstellung

Hinreißendes Chansonkabarett in der »Sonderbar«

Von Wolfgang Döbber
(Text und Foto)
Löhne (LZ). Christiane Weber und Timm Beckmann hätten ihr Programm »Kurz vor unendlich« fast noch umgetauft: »Kurz vor der dicken Grippe« stand die gute Christiane Weber, hielt aber über gut zwei Stunden mit Honigtee und jeder Menge Kraft die Stimmbänder mächtig und mit Mut für stimmliche Auf und Abs bei Laune. So durfte das Publikum der »Sonderbar-Reihe« vor ausverkauftem Haus einen entspannten Chansonkabarettabend genießen.

Mit dem fabelhaften Timm Beckmann am Schimmel-Flügel, der verspielten Möchtegern-Schauspielerin Christiane Weber, die sich mitten ins Löhner Publikum setzte und jauchzend den Oscar in Empfang nahm (und nicht etwa Gwyneth Paltrow oder Demi Moore...). Dazu ihr permanentes Schwanken zwischen laszivem Bond-Girl und einer auf Sehnsucht und Liebe stehenden Frau. Ein gelungener Mix ohne knallige Höhepunkte, aber mit viel Sinn für gute und hintersinnige Lieder mit Klavierbegleitung, der das ABC der Sehnsucht und der Liebe durchspielte.
Deutscher Chanson mit Denkanstößen: Die vielen Stücke suchten unter der Oberfläche immer nach den Geschlechterrollen, dicken Klischees zwischen Männlein und Weiblein und der wahren Liebe. Das größte Klischee spielte Christiane Weber feixend den ganzen Abend: das der vor Erwartung platzenden Schauspielerin, die zum Casting muss. »Als Bond-Girl«, wie sie schwer betäubt vom erhofften Erfolg einer Diva jubilierte, während Timm Beckmann am Flügel schwer seufzte. So harmonierten die Zwei lässig und ruhig, boten auch versonnene Songs der Liebe (»Das Leben ist schön«), mal ironische (»Ist es Liebe - oder eine Darmgrippe, die wir beide haben?«) oder einfach ein schönes Duett: »You`re the Boss«, wer auch immer da stimmlich die Nase vorne hatte.
Auch der Ausflug zu Aschenbrödel und dem Prinzen war listig, am Ende hatte das Pferd die mieseste Rolle: Kutsche leer - Pferd tot. Nun ja! In lässiger Pose ließ es Christiane Weber offen, welche Rolle sie denn spielte, am Donnerstagabend: Bond-Girl, Tiger-Lilly oder Leopardenbraut? Vom Publikum wollte sie wissen, welche Seite von ihr am besten gefalle? Rechts, links? Einer meinte ganz frech: »Hinten«. Aber auch diese hintere Rolle nahm sie locker. Trotz Erkältung. Und mit dem Oscar.

Artikel vom 19.11.2005