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Koalition »nur«
ein Kompromiss

Politiker vor Ort nicht ganz zufrieden

Von Melanie Suhr
und Stefanie Hennigs
Versmold (WB). Die große Koalition in Berlin ist perfekt. Ob der Vertrag jedoch auch aus Sicht der Versmolder CDU- und SPD-Stadtverbände perfekt ist -Êdazu bezogen gestern Dr. Volker Tschorn und Patrick Schlüter auf Anfrage des VERSMOLDER ANZEIGERS Stellung.

»Es ist ein Kompromiss«, sagt Dr. Volker Tschorn, CDU-Stadtverbandsvorsitzender. »Schließlich standen sich zwei etwa gleich große Partner gegenüber, deren Programme nur wenige Schnittmengen hatten.« Die schlimmste Begleiterscheinung der Verhandlungen sei für ihn die Ausklammerung der Themen Krankenversicherung und soziale Sicherungssysteme. 50 Prozent der CDU-Ideen seien jedoch umgesetzt worden -Êauch wenn so manche Kröte geschluckt werden musste.
Die CDU/CSU steht aus Sicht des CDU-Stadtverbandsvorsitzenden nach den Koalitionsverhandlungen als Sieger da: »Schließlich haben wir Angela Merkel als Bundeskanzlerin durchgesetzt.« Für die erste Kanzlerin der deutschen Geschichte sieht Tschorn eine »große Chance«: »Wenn sich etwas bewegt, wenn es wirtschaftlich aufwärts geht, wird man es ihr zuschreiben.«
Welche Perspektive er für die große Koalition sieht? »Entweder man rauft sich zusammen -Êdarauf hoffe ich -Êoder es gibt nach einigen Wochen den ersten Knackpunkt, bei dem einer der Partner mit dem Ausstieg aus der Koalition droht. Das würde Stillstand bedeuten.«
Das manche Entscheidungen nicht mit den Grundsätzen der SPD im Einklang seien bemängelt Patrick Schlüter, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins. Es sei zwar »nur« ein Koalitionsvertrag, der eben auch Kompromisse mit sich bringe. »Vor allem die Zugeständnisse beim Kündigungsschutz und der Mehrwertsteuer sind aber sehr bitter«, sagt Schlüter. Aber es gebe auch Punkte, bei denen die SPD Grund zur Freude hätte. »Ich persönlich freue mich über die Einführung des Elterngeldes.« Auch mit der Einführung der Reichensteuer habe die SPD sich durchsetzen können.
Ob der Koalitionsvertrag in dieser Form der richtige Weg ist, davon ist der Ortsverbandsvorsitzende nicht restlos überzeugt. »Aber offensichtlich konnte man nicht zu anderen Lösungen kommen.« Zukünftiges Streitpotential sieht Schlüter bei den Themen Gesundheit und Atomausstieg, die zunächst einmal ausgespart wurden. »Für Deutschland ist die große Koalition aber sicher auf dem richtigen Weg«, glaubt Schlüter und meint auch, dass die SPD das »Maximum herausgeholt« hat. »Ich hoffe jetzt, dass man in Berlin etwas Positives daraus macht.«

Artikel vom 16.11.2005