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Unglückliche Schornsteinfeger

Herforder Kaminkehrer sind verärgert über Pläne der EU

Von Victor Fritzen
Herford (HK). Ob man will oder nicht, mindestens einmal im Jahr steht er vor der Haustür: der Schornsteinfeger. Sie dürfen die Schornsteine reinigen und auch Heizungen kontrollieren.

Europa- und Bundespolitiker wollen dieses Kehrmonopol jetzt aufbrechen. Deshalb fürchten die Schornsteinfeger in Herford um Sicherheit und Kundennähe.
Langsam lässt Bezirksschornsteinfeger Uwe Heise die Kamera an einem langen Kabel in den Schornstein herab. Eine große Rußwolke hüllt ihn ein. Besen und Schaufel hat er nicht dabei, überhaupt macht das Kehren nur noch einen kleinen Teil seiner Arbeit aus. Sein hat sich in den vergangenen Jahren verändert, die Verordnung, nach der seit mehreren Jahrzehnten gearbeitet wird, nicht. Nur der Bezirksschornsteinfeger darf Heizungsanlagen reinigen und kontrollieren.
Den Hausbesitzern bleibt keine Wahl, die Kontrolle ist Pflicht. Nun steht dieses Monopol unter Beschuss. Nicht nur die EU kritisiert das Kehrmonopol, auch im Bundes-Wirtschaftsministerium wird über neue Regelungen nachgedacht. Ideen gibt es viele: Die Kommunen sollen die Arbeit übernehmen, Installateure die von ihnen eingebauten Heizungen selbst kontrollieren. Der persönliche Kunden-Kontakt rücke dabei in den Hintergrund. Gerade diese Nähe zu seiner Kundschaft allerdings sieht Bezirksschornsteinfeger Dirk Eimertenbrink als großen Vorteil. »Von Haustür zu Haustür, das ist die Idee, die hinter den Bezirken steckt«, erklärt er. Nur so, ohne weite Wege bis zum nächsten Kunden, könnten die Preise für die Kontrollen niedrig gehalten werden. »Das genaue Gegenteil wurde in der Schweiz erreicht. Dort sind die Preise durch den Wegfall der Bezirke stark gestiegen«, erklärt Eimertenbrink.
Auch in Polen habe man erkannt, dass man mit dem Kippen des Kehr-Monopols einen großen Fehler begangen habe. Daraufhin sei das Verfahren wieder rückgängig gemacht worden. In Frankreich, wo es das Monopol nicht gibt, stürben jährlich 400 Menschen an Kohlenmonoxidvergiftungen. Dagegen gibt es in Deutschland so gut wie keine vergleichbaren Unfälle. Das Kehrmonopol sei auch eine Frage der Sicherheit, meint die Schornsteinfegerinnung Bielefeld, deren Mitglieder in Herford rund 483 000 Gebäude betreuen.
Allein im vergangenen Jahr wurden fast 52 000 Mängel festgestellt. »Es ist ja nicht so, dass wir uns einfach ein Monopol geschaffen haben. Der Staat hat es uns übertragen«, sagt Schornsteinfeger Uwe Heise. Die Gebührenordnung werde vom Land festgelegt. »Der vorbeugende Brandschutz ist eine Aufgabe, die man nicht einfach auf Private übertragen kann.« Denn sowohl in den Vorschlägen der EU als auch mehrerer Bundesländer sei die Kontrollpflicht für Heizungen vorgesehen. Die müsste dann von anderen erledigt werden. »Die Installateure selbst sind nicht unabhängig, wenn sie ihre eigenen Anlagen begutachten sollten«, sagt Innungsobermeister Peter Silbermann. Für die Kommunen wäre der Extra-Aufwand eine Belastung. »Die dadurch entstehende Bürokratie ist untragbar. Das fängt damit an, dass der Staat überwachen müsste, ob die Kehrarbeiten, Sicherheitsüberprüfungen oder Emissionsschutzmessungen auch gesetzesgemäß durchgeführt würden.«
Es sei nicht so, dass die Handwerker sich gegen Veränderungen stemmen wollten. »Wir haben hier ein Gesetzsystem, um das uns viele europäische Nachbarn beneiden. Wenn wir das zerschlagen, wird es schwer, es später wieder aufzubauen.«

Artikel vom 16.11.2005