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»Es trifft den
kleinen Mann«

Steuerberater zu Koalitionsvertrag

Von Stefan Küppers
Halle (WB). Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sorgt für Diskussionen, unter anderem auch wegen der Ankündigung, dass Steuerberatungskosten nicht mehr absetzbar sein sollen. Der Haller Steuerberater Reinhard Stephani hält dies so für gar nicht möglich, ist aber ansonsten vom Koalitionsvertrag sehr enttäuscht.

Die meisten Steuerberater, so weiß Stephani, lebten ohnehin zum allergrößten Teil von den Firmenkunden. Und die Beratungskosten blieben als Betriebsaufwändungen auf jeden Fall absetzbar. »Es trifft wieder mal den kleinen Mann«, verweist Stephani auf die geplante Abschaffung der Pendlerpauschale bis 20 Kilometer ab 2007. Aus seiner Sicht eine ungerechte Politik. Nach stetigen Erhöhungen der Mineralölsteuer lasse man jetzt viele Pendler im Regen stehen.
Stephani erinnert an die gesetzliche Definition von »Werbungskosten«, die »Aufwändungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen« von Arbeitnehmern sind. Die Fahrt zum Arbeitsplatz diene genau diesem Ziel, der Sicherung von Einnahmen.
Dass der Arbeitnehmer künftig seine Steuerberatungskosten nicht mehr absetzen sollen kann, wird nach Stephanis Prognose insbesondere bei Lohnsteuerhilfevereinen zu massiven Umsatzeinbrüchen führen. Allerdings dürfe die Nichtabsetzbarkeit nur für den Mantelbogen der Steuererklärung gelten. Die Kosten für verschiedene Anlagen wie V (Einkünfte aus Vermietung) oder KAP (Einkünfte aus Kapital) müssten weiter absetzbar bleiben. Es kommt also auf die Aufschlüsselung der Steuerberater-Rechnung an, wieviel künftig noch abgesetzt werden kann.
Stephani hat ohnehin nicht die Erwartung, dass künftig alles verständlicher wird, die versprochene Entbürokratisierung misslinge nämlich ständig. Er verweist auf die neue Anlage R für die Berechnung der Steuerschuld auf Renten, das neue Zusatzformular für eine Einnahmenüberschussrechnung sowie die gravierende Verschärfung der Rechnungslegung für Unternehmen. Letzter Punkt sei eine erhebliche Komplizierung, unter der die übergroße Mehrheit der Betriebe leide, weil eine kleine Minderheit großen Missbrauch bei Umsatzsteuer-Karussellgeschäften betriebe.
Fürs kommende Jahr sieht er viele Rentner als potenziell neue Kunden bei Steuerberatern. Das neue Alterseinkünftegesetz unterwirft bei einem Rentner nicht mehr nur 32 Prozent seiner Einkünfte (ab 60 Jahre Rentenbezug) bzw. 27 Prozent (ab 65 Jahre) der Steuer, sondern ab 2005 gleich 50 Prozent. Jahr für Jahr wird dieser Anteil um zwei Prozent gesteigert, bis 2040 die Rente einer vollen Besteuerung unterliegt. Stephani: »Das haben sich viele Rentner noch gar nicht klargemacht.« Insbesondere bei Ehepaaren, bei denen einer noch arbeitet und der andere schon Rente bezieht, werde dies schon für 2005 zu erheblichen Nachzahlungen führen.
Zum Schluss rät Stephani wegen der jetzt im Koalitionsvertrag angekündigten Ausweitung der Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen, dass alle Rechnungen und Zahlungsbelege für Gärtner, Fensterputzer, Maler etc. aufbewahrt werden sollten. »Das wird meistens vergessen.«

Artikel vom 16.11.2005