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Botschaft aus der Altsteinzeit gefunden

Die Neandertaler vom Hamscheberg

Von Curd Paetzke (Text und Fotos)
Herford (HK). Herford vor 50 000 Jahren: Ein kalter Wind pfeift über eine Anhöhe, auf der tiefer Schnee liegt - Boten der Eiszeit, die das ganze Land im Norden fest im Würgegriff hält. Eine Gruppe aufrecht gehender Wesen erhält das Zeichen ihres Anführers: Zeit zum Aufbruch. Nahrung wartet woanders. Zurück lassen die Jäger und Sammler ihr steinernes »Werkzeug«. Drei solcher Faustkeile hat Hans Meyer im Bereich Oberer Hamscheberg/ Schwarzenmoorstraße gefunden.
Der Hamscheberg-Faustkeil (2. Stück v.l.) neben einem Keil aus Libyen und jüngeren Artefakten.

Über die Entdeckung berichtet der gebürtige Wittenberger in der jüngsten Ausgabe des Jahrbuches »Minden Ravensberger« unter der Überschrift: »Neandertaler am Hamscheberg? - Erster Nachweis altsteinzeitlicher Geräte im Kreis Herford.« Der Regierungsamtsrat a.D., der lange Jahre in Hannover lebte und heute in Herford wohnt, ist »Anthropologe aus Leidenschaft«, wie er selbst sagt. »In gewisser Weise«, fügt er schmunzelnd an, »bin ich auch auch ein Jäger und Sammler.«
Schon in seiner Kindheit, die er in Wittenberg verbrachte, trug er unermüdlich kleine Feuersteine zusammen, weil deren Form und Farbe mit der warmen Patina großen Eindruck auf ihn machten. Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl der Fundstücke, darunter auch zahllose Versteinerungen, kontinuierlich an, bis sich daraus ein weiteres Betätigungsfeld entwickelte, das den 69-Jährigen in Fachkreisen bekannt machte. Hans Meyer baute eine ungewöhnliche und weltweit vermutlich einzigartige Sammlung auf, die fossile Reste menschlicher Vorfahren als naturgetreu kolorierte Abgüsse in höchster Qualität enthält. Hans Meyer erklärt: »Es handelt sich quasi um Duplikate der Originale, die in Museen rund um den Globus gezeigt werden. Die Abgüsse werden mit Hilfe von Silikon und Gips hergestellt und dann bemalt.«
Die 550 Einzelstücke, wie Nachbildungen von Schädeln und Gebissen, hat Meyer aber inzwischen dem Naturhistorischen Museum Wien überlassen, dessen Korrespondent er ist und für das er immer wieder wissenschaftliche Vorträge hält (darunter: »Der menschliche Schädel als Kultobjekt und Trinkschale«). In dem Museum fanden die Stücke bei der Neugestaltung der anthropologischen Abteilung Verwendung und sollen den Besuchern künftig anschauliche Informationen zur Stammesgeschichte des Menschen liefern.
Als ein solches Beispiel dient auch Meyers Fund am Hamscheberg in Herford. Ein Landwirt war 2004 beim Pflügen eines Feldes auf mehrere Steine gestoßen, die er am Rand des Ackers stapelte, um die Scharen nicht zu beschädigen. Aus langer Erfahrung weiß Hans Meyer, dass solche kleinen Steinhäufchen große Schätze bergen können. Auch in diesem Fall hatte er wieder den richtigen Riecher: Er entdeckte drei Faustkeile, die hier durchziehenden Neandertalern einst als eine Art »Universalgerät« zum Schlagen, Schaben und Schneiden dienten. Das Quarzitgestein stammt aus der Saale-Eiszeit, die vor 200 000 Jahren Findlinge und Geröll bis in die Region des Lipperlandes transportierte. Aus kleineren Steine formten die Neandertaler ihre Werkzeuge. Mit dem Auftauchen des anpassungsfähigeren homo sapiens indes war das Schicksal dieser Urmenschen besiegelt - sie starben aus.

Artikel vom 15.11.2005