15.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Amors Pfeile« treffen sicher

Aufführung der »Schatulle« entführt in die Zeit der »feinen Gesellschaft«

Von Felizitas Körner
Rahden (WB). Die Laienspieler der Schatulle präsentierten am Freitagabend die leichtfüßig-frivole Komödie »der Cassernower«. Das Publikum durfte sich im Pavillon in Wehe nach allen Regeln der Kunst verführen und entführen lassen, in eine Zeit, die so von Gegensätzen und »Schein-Tugend« geprägt war wie kaum eine andere.

»Oh liebĂ• so lang du lieben kannst«, rät Karin Büttemeier alias Julie Schrader ihrem Publikum. Nicht nur in ihrem eigenen Leben, auch in ihren Theaterstücken beherzigte Julie Schrader, der so genannte »welfische Schwan« (1881 - 1939), diese Weisheit. Als Autorin von zahlreichen Gedichten, kurzen Geschichten und zweier Theaterstücke, wollte sie die Doppelmoral der feinen Gesellschaft in der wilhelminischen Zeit aufdecken. Als Hausdame und Vorleserin hatte sie engen Kontakt zu den illustren Gestalten dieser Zeit, deren Charaktere sie pikant in ihrem, für damalige Verhältnisse sehr anrüchigen, Stück »der Cassernower« einflicht.
Zum Inhalt: Alles dreht sich um den heißbegehrten »Cassernower« August von Sümenicht, gespielt von Detthard Wittler: Keine Finte und keinen Trick lassen die feinen hannoverschen Damen aus, um ihn in ihre Arme und ihr Schlafgemach zu locken. Kein Mittel war den ach so tugendhaften Damen zu frivol, um endlich ans Ziel ihrer Träume zu gelangen.
»Beschreib mich glänzend, ich habe zwei Millionen auf dem Konto«, weist Hennerjette Bültemeyer, alias Andrea Schiermeier - ihres Zeichens keusche Jungfrau - die Kammerdienerin Amanda (gespielt von Steffi Bösch) an.
Doch sie ist nicht die Einzige, die den schönen August von Sümenicht herumkriegen will. Auch Salchen Itzig (Lena Klassen) und ihre beste Freundin Mathilde Krempelsetzer (Friedlind Thane) haben ihre Netze ausgeworfen: »Ich will dir deine wunderbaren Füße küssen, deinen wunderbaren Mund« lauten die Liebesschwüre, welche die angeblich so tugendhafte Salchen ihrem Herzensmann sendet.
Hermione, Baronin Polte zu Poltersburg (dargestellt von Verena Behring), ist ebenfalls wild auf diesen Prachtkerl. Will sie sich auch zwischendurch mit ihrem Stallknecht (Hans-Jürgen Buck) trösten, verliert sie doch nie ihr Ziel, den Cassernower, aus den Augen.
Welche Dame ihn am Ende, mit Hilfe von Amors Pfeilen, für immer für sich gewinnen kann, bleibt bis zum fünften Akt ungewiss...
»Alle Damen verlieren den Verstand angesichts diesen feschen Manns im »Kaiser-Wilhelm-Look«. Was sie mit ihrer doppelmoralischen Einstellung tun, um ihn an sich zu binden, das macht den Großteil der Handlung auch den pikanten Witz dieses Stückes aus«, erläutert Regisseurin Edith Stöver.
Für die Inszenierung habe man sich an den Originaltext gehalten, erzählt sie weiter. Julie Schrader hat zum Teil köstliche Wortneuschöpfungen passend zum Reimschema geschaffen, welche die Schauspieler dem Publikum nicht vorenthalten wollten.
Neben den bereits genannten Schauspielern haben Günter Polhede als Briefträger, Wolfgang Hanke als Herr Directöhr von Theatro, und Karl-Heinz Hiller als Suddelfix, der Straßenmusikant, mitgespielt.
Die Atmosphäre der »Schatulle« und das authentische Bühnenbild (Ingrid Stenzel und Detthard Wittler) tun ein übriges dafür, dass die Zuschauer sich, von Christa Meyer und Wilfried Brettholle glücklich versehen mit Wein oder anderen Getränken, in die Handlung des Stückes hineinversetzt fühlen. Für alle, die diese Erfahrung auch machen wollen, finden am 17., 18. und 19. November jeweils um 20 Uhr weitere Aufführungen des »hannöverschen Dramas« statt.

Artikel vom 15.11.2005