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»Jazzdirigent« gegen Vergessen

Wu Wei Theater Frankfurt am Freitag in Rödinghausen


Rödinghausen (BZ/-gl-). Einen interessanten neuen Ansatz zur Beschäftigung mit dem Thema »Nationalsozialismus« bietet das Stück »Der Jazzdirigent« von Wolfgang Sréter, das gestern morgen vom Wu Wei Theater Frankfurt-Stücke in der Gesamtschule Rödinghausen aufgeführt wurde. Die Schüler der Klassen zehn, elf und zwölf erlebten die »unaufdringlichste und leichteste« Inszenierung zum Thema »Gegen das Vergessen«.
Über die Musik zum Thema »Nationalsozialismus«. Jede Altersgruppe steht auf bestimmte Musik und lebt das damit einhergehende Lebensgefühl. Im Nationalsozialismus war es der verbotene Swing mit Stockschirm und englischer Kleidung als äußeren Merkmalen. Die so genannte Swing-Jugend wurde massenhaft in den KZs interniert. In dem Theaterstück geht ein junger Mensch aus Liebe zum verbotenen Jazz in den Widerstand, und zwar nicht aus direkt politischen Motiven.
»Der Jazzdirigent« von Wolfgang Sréter ist eine Erzählung mit biographischem Hintergrund. Sréters Onkel Paul Weissenburger »gerät« in Budapest in eine Widerstandsgruppe gegen die Nazis. Er hat die große Sehnsucht, als Dirigent eines große Jazz-Orchesters in Amerika Karriere zu machen. Aber dann wird er geschnappt. Bei der Erschießung der Gefangenen am Ende des Krieges vergisst man ihn, weil er gerade in Einzel-Arrest sitzt. Er, der schon dem Tode geweiht war, wird von den Amerikanern befreit.
Erzählt wird die Geschichte von einem Neffen des Onkels, der von Andreas Wellano dargestellt wurde. Auf einem alten Dachboden lässt er Erinnerungen an den Visionär, an dessen Erzählung aufsteigen. Nahtlos spielt er sich in die historischen Situationen hinein, ahmt seinen Onkel nach. Erinnerung wird so zur Gegenwart, ohne jedoch ein perfektes Abbild damaligen Geschehens zu geben.
Neben Andreas Wellano als Neffe beleben zwei musizierende Gespenter den Dachboden: Die Sängerin Angelika Sieburg und die Pianistin Elisabeth Süßer. Sie bringen den Neffen bei der Rekonstruktion aus dem Konzept, durchbrechen so immer wieder einen linearen Erzählfluss. Die Musik als zentrales Thema des Stücks ist dadurch gleichberechtigte Mitspielerin - und wird sogar zu Fleisch und Blut.
Gerade weil der Widerstand daraus hergeleitet wird, dass ein kleiner »Alltagsmensch« schlichtweg »seine Musik lebt« und seinen Traum nicht aufgeben will, ergeben sich in diesem Stück ganz neue Interpretationsansätze in der Auseinandersetzung mit dem Thema »Erinnern«.
Im Anschluss an die Aufführung standen Angelika Sieburg, Andreas Wellano und Elisabeth Süßer (Klavier) mit Regisseur Dietrich Stern den Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Rödinghausen Rede und Antwort. So manche Fragen wurde gestellt und darauf eine Antwort gegeben.

Artikel vom 12.11.2005