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Zwischen Affen und Vormittags-Talkshows

Spitzen Vorstellung: Dieter Nuhr trat vor 1000 begeisterten Kabarettfans in Scherfede auf

Von Marius Thöne
Scherfede (WB). Dieter Nuhr steht da auf der Bühne mit dem typischen T-Shirt, das seine Webadresse »nuhr.de« ziert. An diesem Abend ist es himmelblau, dazu gleichfarbige Turnschuhe. Mit dem Mikrofon in der Hand plaudert er über die großen Fragen der Menschheit. 1000 Kabarettfans wollten ihn am Samstagabend in der Scherfeder Mehrzweckhalle sehen.

Die Veranstaltung des Kulturvereins »KiS« und des Kulturbüros OWL war seit Wochen ausverkauft.
»Ich bin's Nuhr« heißt sein aktuelles Programm. Und das hält was es verspricht. Außer Dieter Nuhr, der im hellblauen Shirt einziger Farbklecks war, gab es auf der großen Bühne in der Mehrzweckhalle wirklich nichts zu sehen oder zu hören. Äußerst minimalistisch auch das Bühnenbild, das - quasi nicht vorhanden - lediglich aus zwei schwarzen Stoffbahnen bestand. Die Konzentration des Publikums war so ganz auf den 45-jährigen Rheinländer und sein hintersinniges Kabarett gelenkt.
Manchmal, wenn der ehemalige Lehrer sich in Studien und Forschungsergebnissen verwickelte, konnte man den Eindruck bekommen, die Halle sei ein überdimensioniertes Klassenzimmer.
Im Mittelpunkt der Unterrichtsstunde standen schlicht die großen Fragen der Menschheit: Die Evolution vom Affen zum Homo sapiens, das Leben an sich, verrümpelte Keller, Gehirne, islamistische Selbstmordattentäter, Hormone und anderes mehr.
Die scheinbar so harmlosen Gedanken hatten es in sich. Die Besucher schüttelten sich vor Lachen. Man erfuhr, dass im Verlauf der Evolution die Rückbildung des Unterkiefers das Wachstum des Gehirns erst möglich gemacht habe. Dieter Nuhr lieferte gleich die Übersetzung ins Alltägliche: »Je größer die Klappe...«
Mit pointierter Wortwahl und einer gehörigen Portion Sprachwitz gelang es ihm, das Publikum länger als zwei Stunden an seine Lippen zu fesseln. Von Langeweile keine Spur. Nuhr ging auf das Ende der Koalitionsverhandlungen in Berlin ebenso ein wie auf das Fußballspiel Frankreich gegen Deutschland am Samstagabend: »Männer haben im Schnitt 125 Gramm mehr Gehirnmasse als Frauen. Man vermutet, da ist die Abseitsregel drin.«
Dieter Nuhr ist keiner, der sich durchs Programm kalauert. Seine Texte sind hintergründig und gut recherchiert. Mühelos springt er von einem Thema zum nächsten, die Übergänge sind fließend. Er trägt seine Gedanken charmant im Plauderton vor. Selten schlägt er mal unter die Gürtellinie. Nuhr schaffte auch in Scherfede den Spagat zwischen Kabarett und Comedy.
Vielleicht ist auch das der Grund, dass er bei allen Altersgruppen gut ankommt. Er ist derzeit in der Szene angesagt wie kaum einer seiner Kollegen. Da verwundert es auch nicht, dass sein Auftitt am Samstag zu den größten kulturellen Einzelveranstaltungen der Region zählte.
Übrigens: »Kulturveranstaltungen können Sie vergessen, wenn Sie wissen wollen, wie der Mensch wirklich ist, schalten sie mal vormittags die Privaten ein«, spielte Nuhr auf Talk- und Gerichtsshows an. »Da sitzen Kerle, die beweinen, von ihrer Freundin verlassen worden zu sein. Ich frag mich ja, wie die überhaupt eine abgekriegt haben.«

Artikel vom 14.11.2005