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»Nach Premiere eine Woche nicht gepennt«

Der beste Langstrecken-Ironman im Kreis traut auch Hobby-Sportlern Ironman-Teilnahme zu

Von Uwe Caspar
und Wolfgang Wotke (Foto)
Gütersloh (WB). Er ist Kreis Güterslohs »Mr. Ironman« in der gerade beendeten Triathlon-Saison - für Wolfgang Ermeling seine bisher beste. So schraubte »Wolle« in Klagenfurt seinen »Hausrekord« auf der längsten Distanz auf glänzende 9:47 Stunden. Beim 180 km-Radfahren unterbot er dabei erstmals die Fünf-Stunden-Marke (4:58) und lief dann seinen zweitschnellsten Marathon (3:43). Nur im Schwimmen kraulte Ermeling diesmal etwas langsamer als gewohnt (1:06 für 3,8 km). Schneller als der 1,91 m große Verler waren in der Dreikampf-Königsdisziplin in den letzten 15 Jahren nur wenige heimische Athleten. Triathlon - eine Schinderei? Diese und andere Fragen beantwortet der begeisterte Sportler (37) im nachfolgenden Interview.

Der Ironman - selbst für engagierte Hobby-Sportler ist dieser Wettkampf immer noch mit Schinderei und Quälerei verbunden. Ist die »Eisenmann«-Herausforderung wirklich so brutal wie viele das annehmen? Ermeling: Ich behaupte allen Ernstes: Einen Triathlon kann jeder schaffen, wenn er sich dementsprechend vorbereitet und seine Ziele nicht zu hoch steckt. Eine weitere Voraussetzung ist natürlich, dass man kerngesund ist und keine körperlichen Gebrechen hat. In meiner Laufbahn habe ich bisher 16 dieser Wettkämpfe absolviert. Bis auf einen Ironman auf Lanzarote musste ich mich keineswegs schinden, um ins Ziel zu kommen. Dass ich auf Lanzarote am Ende Kreislauf-Probleme bekam, lag nur an meiner ungenügenden Vorbereitung. Ich hatte mich dort spontan zu einem Start entschlossen, was im Nachhinein eine Fehlentscheidung war.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Triathlon erinnern? Ermeling: Ja, vor 16 Jahren in Harsewinkel auf der Kurzdistanz. Das damals rund 600 Mark teure Rennrad hatte ich mir von meinem ersten Gesellenlohn geleistet. Die Premiere verlief ganz böse: Auf der Laufstrecke bin bestimmt um die 30-mal stehengeblieben, ich wurde von 50 bis 60 Leuten überholt. Im Ziel war mir speiübel. Ich schwor mir dann: Das machst du nie wieder. Aber dann packte mich doch der Ehrgeiz: Ich guckte mir eine 5 km-Runde vor unserer Haustür aus und begann regelmäßig zu trainieren. Plötzlich fand ich den Triathlon-Sport faszinierend, auch wenn ich bei meiner nächsten Teilnahme - in Sassenberg - von Robert Becker noch überrundet wurde.
Wann war die Zeit reif für die Ironman-Premiere?Ermeling: Anfang der 90er-Jahre in Österreich. Den Anstoß dazu gab mir ein Besuch mit meinem Kumpel Detlef Pähler beim inzwischen legendären Rother Triathlon. Danach beschloss ich: Das machst du auch! Die Premiere fand in Podensdorf in Österreich statt. Ich brauchte elf Stunden und 43 Minuten - danach konnte ich eine ganze Woche lang nicht richtig pennen. In den folgenden Jahren ging es weiter aufwärts, bis ich in Roth erstmals unter die 10-Stunden-Marke gekommen bin. 1997 erfüllte sich für mich ein großer Traum: Ich startete auf Hawaii, das Mekka aller Dreikämpfer. Das war nicht nur wegen des starken Windes hammerhart, und mir fehlte seinerzeit auch noch die Reife für einen so außergewöhnlichen Wettbewerb. Ich brauchte 11:25 Stunden, um durchzukommen. Ich möchte noch einmal unbedingt dorthin und hoffe, eine Startnummer ergattern zu können. Hawaii - das ist das absolute Highlight für jeden Triathleten.
Wie sieht bei Ihnen eine Trainingswoche im Rahmen der Ironman-Vorbereitung aus?Ermeling: Fast täglich mehrere Stunden Radfahren oder Laufen. Schwimmen nimmt nicht soviel Zeit in Anspruch. Manchmal kommen pro Woche rund 30 Stunden zusammen. Trotz meines Berufes schaffe ich dieses Pensum ohne größere Probleme, weil ich das gut planen kann. Mein Motto: Wenn man etwas will, dann kriegt man das auch hin. Selbst wenn man eine Familie hat. So wie zum Beispiel mein Freund Detlef Pähler: der dreht sogar frühmorgens um 5.30 Uhr Runden mit dem Rad, um am Tag für Frau und Kinder mehr Zeit zu haben.
Ihre Stärke ist das Radfahren - und das ist sicherlich kein Zufall ...Ermeling: Seit zwei Jahren starte ich für den RSV Gütersloh bei Amateurrennen - natürlich nur im Frühjahr. Das hat mich im Triathlon weitergebracht, obwohl mir bei den ersten RSV-Starts die Beine noch mächtig zitterten. Straßenrennen sind eine höhere Belastung - beim Triathlon ist das Radfahren viel gemütlicher.
Das Laufen fällt Ihnen wesentlich schwerer ...Ermeling: Zum Glück nicht mehr. Meinen persönlichen Rekord in Klagenfurt verdanke ich nicht zuletzt dem Marathon - ich erzielte dort meine zweitbeste Zeit. Dass es in den Jahren davor nicht so gut lief, war eine reine Kopfsache. Nach der Rad-Disziplin lag ich meistens gut im Rennen, doch wenn's auf die Rennstrecke ging, spukte mir sofort Folgendes durch den Kopf: Jetzt kriegen sie dich gleich! Und genauso kam es dann auch. Bis mir Ingmar Lundström, dem ich übrigens eine Zeit von unter neun Stunden zutraue, mental die Augen geöffnet hat. So fragte er mich: »Läufst du auf Schadensbegrenzung oder Angriff?« Ich dachte darüber nach - und ging in Klagenfurt mit einer anderen Einstellung in den Marathon. So rannte ich die letzten zwölf Kilometer zum ersten Mal schneller, bin nicht eingebrochen. Auch deshalb, weil ich zum ersten Mal die Arschbacken richtig zusammengekniffen habe.
Haben Sie Ihr Leistungspotenzial schon ausgereizt?Ermeling: Nicht ganz. Ich traue mir eine Zeit knapp unter 9:30 Stunden zu. Unter neun Stunden - das ist natürlich utopisch, ich kenne meine Grenzen. Triathlon: Für mich nicht nur Sport, sondern auch eine Lebenseinstellung.

Artikel vom 12.11.2005