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Was Martin mit der Gans zu tun hat...

Mit Laternen-Umzügen ehren die Kinder heute den populärsten Heiligen der Christenheit

Von Alexandra Rüther
Brakel (WB). Im französischen Tours zieht sein Grab heute noch Pilgerscharen an, und auch im Kreis Höxter ehren die Kinder ihn mit Lichterprozessionen zu seinem heutigen Namenstag. Martin ist einer der populärsten Heiligen der Christenheit.
Auch im Erkelner St. Raphael-Kindergarten wurde fleißig gebastelt. Cedric, Nico und Jule (hinten v.l.) sowie Jennifer und Jonas (vorne) mit ihren Laternen.
Martin wurde um 316 im heutigen Ungarn geboren. Als Sohn eines römischen Offiziers war er gesetzlich zum Militärdienst verpflichtet. Sein Name leitet sich vom lateinischen Kriegsgott Mars her. Die Begebenheit, an die bis heute das Martinsbrauchtum erinnert, ereignete sich 334 in Amiens: Es ist kalt. Martin ist 18 Jahre alt und noch kein Christ. Er begegnet einem Bettler am Stadttor und teilt spontan seinen Mantel mit ihm. In der Nacht danach erscheint ihm Christus im Traum und gibt sich als der Bettler zu erkennen. Martin lässt sich taufen, er wird Schüler des Bischofs Hilarius von Portiers, gründet ein Kloster und wird zehn Jahre später gegen seinen Willen zum Bischof von Tours gewählt. Die Legende erzählt, dass er sich in einem Gänsestall versteckt hatte, um sich dem Amt zu entziehen, jedoch von den Gänsen durch ihr Geschnatter verraten wurde. Eine andere Erzählung weiß zu berichten, dass die Gänse einmal mit ihrem lauten Schnattern eine Predigt Martins gestört hätten. In beiden Fällen nahm Martin den Gänsen ihr lautes Geschnatter offenbar sehr übel, denn fortan finden sich Gänse jedes Jahr zu Martini als knusprige Braten auf dem Tisch wieder.
Der Martinsgans wird übrigens seit alters her eine besondere Heilkraft zugeschrieben. Ihr Fett soll gegen Gicht helfen und ihr Blut gegen Fieber. Als Wundermittel gegen Epilepsie gilt eine Feder vom linken Flügel; sie muss verbrannt, mit Wein vermengt und anschließend getrunken werden. Wenn Zwei versuchen, den  V-förmigen Brustknochen der Gans zu zerbrechen, so geht dem ein Wunsch in Erfüllung, der das größere Stück in Händen hält. Auch die Farbe dieses Knochens hat eine tiefere Bedeutung: ist er blass und weiß, so gibt es einen kargen, kalten Winter, hat er eine schöne rote Farbe, so gehen einem im Winter die Vorräte nicht aus. Der 11. November ist auch deshalb ein besonderer Tag, weil mit ihm die 40 Tage der vorweihnachtlichen Fastenzeit beginnen. Damit wurde der Martinstag zum Termin für Pachtzahlungen, auch in Form einer Gans. Zugleich war der Martinstag mit einem heutigen Kündigungstermin vergleichbar, Gesinde wurde entlassen und mit einer Gans beschenkt, Mägde und Knechte wurden neu eingestellt. Der Martinstag fällt noch in die Erntezeit, das bäuerliche Jahr wird abgeschlossen und die Zeit des Spinnens beginnt. In den Spinnstuben wurde das Licht angezündet, wo es bis zum 2. Februar, Mariä Lichtmess, abends brennt. Der erste Wein des Jahrgangs wird als Martinsminne getrunken. In Maschen ( Geweinde Seevetal vor den Toren Hamburgs) versucht man übrigens, heute mit dem größten Laternenumzug der Welt ins Buch der Rekorde zu kommen. Der bisherige Rekord von 2001 wurde in Kiel aufgestellt mit insgesamt 2204 leuchtenden Lichtern. Dort war der Umzug mit 6700 Teilnehmern 1,6 Kilometer lang. Nun soll das in Maschen überboten werden. Darauf sind weder die Kinder des katholischen Kindergarten St. Michael aus noch die des Kindergartens St. Raphael in Erkeln. »Laterne gehen« ist einfach spannend: es ist dunkel, es darf gesungen werden, und die Martinsgänse -brezel oder Stutenkerle schmecken bestimmt...

Artikel vom 11.11.2005