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Untragbare Risiken

Birgit Reckmann, Betriebsrats-Vorsitzende


Das Gesicht der Woche ist das von Birgit Reckmann. Es taucht in Zeitungen und im Fernsehen auf - »was ich überhaupt nicht mag«, wie die 35 Jahre alte Betriebsratsvorsitzende der Gütersloher Großwäscherei Glowienka versichert. Die Popularität hat Gründe. Reckmann hat den ersten Protestzug gegen eine Gewerkschaft in der Geschichte des Kreises Gütersloh mitorganisiert.
»Ich habe überhaupt nichts gegen Gewerkschaften. Ohne sie sähe es in Deutschland noch weitaus trauriger aus«, ist sie überzeugt. Ohne die IG Metall gebe es bei Glowienka zum Beispiel gar keinen Betriebsrat. In den Auseinandersetzungen mit dem ehemaligen Geschäftsführer sei die Gewerkschaft eine äußerst wichtige Stütze gewesen: »Ohne sie hätten wir keine Chance gehabt.«
Doch das Vorgehen der IG Metall im Falle der möglichen Übernahme durch den Berendsen-Konzern habe sie verärgert. Ohne mit dem Betriebsrat zu sprechen, habe die Gewerkschaft Maßnahmen ergriffen. »Die rufen einfach zwei oder drei ihrer Mitglieder an und legen los.« Wie sehr dabei der Schuss nach hinten losgehen kann, habe die Einladung zu einer Versammlung am vergangenen Montag gezeigt. Da habe die IG Metall auf 16.30 Uhr ins Parkbad eingeladen. »Um 16.30 Uhr läuft hier aber noch die Produktion«, sagt Reckmann. Wie soll eine Gewerkschaft die Interessen von Arbeitnehmern vertreten, wenn sie nicht mal weiß, wann genau die arbeiten? Die Folge: Im Parkbad erschien nur ein einziger Mitarbeiter. »Es wären gerne mehr dorthin gegangen. Doch sie mussten zu ihrem Feierabend davon ausgehen, dass die Veranstaltung bereits vorbei ist.« Die IG Metall habe einfach mal wieder nur ihre Mitglieder gefragt und denen habe 16.30 Uhr wohl ganz gut gepasst.
Die verpatzte Einladung sei symptomatisch für das mangelnde Einfühlungsvermögen der IG Metall. Mit der Forderung nach höherem Lohn und einem anderen Vertrag gehe sie ein Risiko ein, das ein ungelernter, ausländischer Hilfsarbeiter bei Glowienka gar nicht tragen könne. »Springt Berendsen ab, dann finden diese Leute nie wieder einen Job«, sagt die Groß- und Einzelhandelskauffrau. Stephan Rechlin

Artikel vom 11.11.2005