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Vom Hamburger Hafen
in die Kirchen - Weihrauch

Aromatische Duft des Harzes wirkt reinigend


Ein kurzes Klicken des Feuerzeugs. Die Flamme umschließt das gelbliche Korn und schon erfüllt der unverwechselbare Geruch die Luft - Weihrauch. Der Gottesduft zieht zur Weihnachtszeit wieder durch die Kirchen. Im Lager der Firma C.E. Roeper in Hamburg liegt das Harz gleich zentnerweise und wird von hier in alle Welt verschifft. »In Deutschland werden jährlich sieben oder acht, vielleicht auch zehn Tonnen Weihrauch verbraucht. Viel größere Mengen liefern wir nach Südamerika und an orthodoxe Kirchen im europäischen Ausland«, sagt Verkäufer Rüdiger Dreyer.
Zu seinen Füßen liegt ein prall mit Weihrauch gefüllter Jutesack aus Äthiopien, der erst vor einigen Tagen mit einem Container aus Dschibuti im Hamburger Hafen eingetroffen ist. 200 Tonnen des Harzes, das aus dem Boswellia-Baum gewonnen wird, hat das Hamburger Unternehmen im letzten Jahr importiert. Noch immer gilt der Hafen der Hansestadt als einer der weltweit führenden Umschlagplätze für Weihrauch. »Das meiste kommt aus Äthiopien, einiges auch aus Indien und Somalia«, sagt Dreyer.
Besonders der äthiopische Weihrauch ist in der Kirche beliebt, um an besonderen Feiertagen Messen zu zelebrieren. Aber auch eigens angefertigte Mischungen mit Namen wie Salomo, Melchior oder Zacharias sorgen zu Weihnachten in den Gotteshäusern der Katholiken für den typischen Duft. Myrrhe, Lavendel und Sandelholz werden dem Weihrauch beigemengt, oft verstärkt Lebensmittelfarbe den optischen Reiz.
Entscheidend ist allerdings das Wie des Verbrennens. Eine Unterschicht glühender Holzkohle, entzündet in einer Räucherpfanne oder hitzebeständigen Schale, garantiert wohligen Duft. »Weihrauchfass« heißt die an einer Kette befestigte Hohlkugel, die in katholischen Kirchen von Messdienern geschwenkt wird. »Es bedarf einer gewissen Kunstfertigkeit, damit die Glut nicht erlischt und die Kirche nicht zu sehr eingenebelt wird«, erklärt Manfred Nielen vom Erzbistum Hamburg. Reinigend wirke der Duft des Harzes, verstärke das sinnliche Element und die mystische Dimension des Gottesdienstes.
Schon in vorchristlicher Zeit war die Wirkung von Weihrauch bekannt, beim Totenkult wurde mit seiner Verbrennung der Verwesungsgeruch vertrieben. Als Zeichen der Anbetung und Verehrung gilt das Harz nicht zuletzt seit der biblischen Geschichte der Heiligen Drei Könige, die zur Geburt des Jesuskindes neben Gold und Myrrhe als dritte Gabe Weihrauch mitbrachten. Zudem gilt das Räuchern mit Weihrauch als Symbol für die Entfaltung der Gottheit. Spätestens im frühen Mittelalter fand der Naturstoff Aufnahme in den christlichen Gottesdienst. Traditionell wird zu Beginn der Liturgie der Altar beräuchert und die versammelte Gemeinde wird vom aromatischen Duft eingehüllt. »Das unterstreicht den festlichen Charakter«, sagt Nielen.
Heute wird ein großer Teil der jährlichen Weihrauch-Ernte außerhalb von Gotteshäusern verwendet. Pulverisiert und in Kapselform findet sich das Naturprodukt als angeblich vielseitiges Heilmittel in Apotheken und wird im Internet angeboten. Seit einigen Jahren wird somalisches Weihrauch von der Firma Roeper auch nach Frankreich geliefert zur Parfümherstellung.

Artikel vom 24.12.2005