24.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Glas aus Lauscha

Begehrter Christbaumschmuck

Tag und Nacht steht Glasbläser Walter Hähnlein an der 1300 Grad heißen Flamme, um die Wunschzettel seiner Kunden rechtzeitig abzuarbeiten. Zapfen, Glocken und Kugeln - Schmuckstücke für den Christbaum produzieren er und seine Frau Tag für Tag in einem engen Keller im südthüringischen Lauscha.Ein armer Glasbläser aus Lauscha soll es gewesen sein, der 1848 in ermangelung echter Äpfel und Nüsse erstmals selbst gefertigte Glasfrüchte an seinen Weihnachtsbaum hängte.
Versandkisten stapeln sich, Lackgeruch liegt in der Luft, an der Decke hängen Paletten voll mit aufgespießten Kugeln - und ständig klingelt das Telefon. »Das sind Händler, die jetzt alle noch schnell etwas haben wollen«, sagt Hähnlein. Mundgeblasenes und Handbemaltes aus Lauscha kommt an. Etwa 50 solcher Firmen mit zwischen zwei und 60 Beschäftigten produzieren nach Schätzung der Innung in und um Lauscha traditionellen, mundgeblasenen Weihnachtsbaumschmuck. 4500 Leute sind das schon«, sagt Gerald Vogel, Obermeister der Thüringer Kunstglasbläserinnung.
Ein armer alter Glasbläser aus Lauscha soll es gewesen sein, der 1848 in Ermangelung echter Äpfel und Nüsse erstmals selbst gefertigte Glasfrüchte in seinen Baum hängte. 500 verschiedene Formen seiner Vorfahren hat Willi Greiner-Mai noch gefunden, als er nach der Wende die Tradition seiner Familie wieder aufleben ließ. »Das Know how brachte mein Vater mit.« Greiner-Mais Betrieb mit 16 Beschäftigten beliefert europaweit 100 Kunstgewerbe-Geschäfte. »Dass sind Läden, wo der Preis keine Rolle spielt.« Wer dort mundgeblasenen Weihnachtsschmuck aus Lauscha wolle, »der kauft ihn sich eben.«
Eislack nennt sich eine in Lauscha entwickelte Färbung, die durch eine chemische Reaktion auf dem Glasschmuck Strukturen wie Eiskristalle entstehen lässt. So manche Technik und Lackierung hütet Greiner-Mai als Betriebsgeheimnis. Bemalt werden die Kugeln, Glocken, Früchte und Engel mit einer Eichhörnchenschwanz-Spitze. Seinen Mitarbeitern schaut er dabei gerne auf die Finger: »Als wir noch in Heimarbeit fertigten, ging mal eine Ladung mit Weihnachtsmännern ohne Nasen nach Amerika - das können wir uns nicht leisten.«
Hähnlein arbeitet gerne mit so genannten Reflex-Formen, die um die Jahrhundertwende entwickelt wurden. Mit Stempeln oder Griffeln werden Formen in die heißen Glaskugeln gedrückt. »Auch das ist typisch Lauscha.« Eine seiner Spezialitäten ist die Verzierung mit leonischen Drähten. Mit den feinen, spiralförmigen Drähten wird dabei der Christbaumschmuck regelrecht umsponnen. Jetzt gehe es bis Heiligabend aber erst einmal darum, möglichst viele rote Kugeln auf den Markt zu bringen. Was dann am Ende übrig bleibt, hänge er sich selbst in den Baum. »Der wird immer schön bunt.«

Artikel vom 24.12.2005