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»Christkindlmarket« in
Chicago - typisch deutsch

Zwischen Wolkenkratzern weihnachtet's traditionell

Es riecht nach Glühwein und Bratwurst, der Duft gebrannter Mandeln liegt in der Luft. Doch dieser Weihnachtsmarkt liegt nicht in Deutschland, sondern im fernen Chicago.

In der US-Metropole gibt es den weltweit größten deutschen Weihnachtsmarkt außerhalb Deutschlands - fast 8000 Kilometer weit weg von Nürnberg. Auf dem »Christkindlmarket Chicago« treffen sich zum zehnten Mal deutsche und internationale Aussteller zwischen Wolkenkratzern, um »Germanburger« mit Frikadelle, deutsche Süßigkeiten, Weihnachtsplätzchen und Handarbeiten zu verkaufen.
Die Vorweihnachtszeit wird in den USA in erster Linie vom ausgelassenen Schmücken der Wohnhäuser bestimmt. Zwar gibt es in dieser Zeit viele Trödelmärkte - dorthin geht man aber nicht, um Freunde auf einen Glühwein oder eine Bratwurst zu treffen. In der Deutsch-Amerikanischen Außenhandelskammer in Chicago häuften sich die Anfragen zu deutschen Weihnachtsmärkten, erzählt Ray Lotter: »Da kam mir der Gedanke: Warum nicht hier?«
1996 gründete er den Markt nach Vorbild des Nürnberger »Christkindlesmarkt« - die Buden wurden eigens nach alten Plänen der fränkischen Stadt angefertigt. Damals waren es 26, heute sind es um die 70 Stände.
Zur Eröffnung wird das Nürnberger Christkind eingeflogen, das hier Weihnachtsfee heißt. Auch der Hamburger Wasserträger ist vertreten - schließlich sind Hamburg und Chicago Partnerstädte - und verteilt Süßigkeiten während der an das Martinssingen angelehnten Kinder-Laternenparade. »Der Weihnachtsmarkt wird eben genutzt, um verschiedene deutsche Traditionen zu konzentrieren«, sagt Bert Lachner. Der gebürtige Hamburger lebt seit 1967 in Chicago und spielt seit sechs Jahren den Wasserträger.
Brot, Plätzchen
und süßer Glühwein
Ein großer Teil der Ständebetreiber und Verkäufer reist extra für die Vorweihnachtszeit an: In fast der Hälfte der Buden hört man deutsche Stimmen. Die meisten kommen aus Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg. Während am Stand des Berliner Verlags BTMusic deutsche Weihnachtslieder erklingen, verkauft »Frank's Bavarian Giftshop« Bierhumpen, im »Gift & Candle Palace« können Besucher beim Kerzenmachen zuschauen und Andreas Siebrecht aus Nordrhein-Westfalen backt deutsches Brot und Elsässer Flammkuchen.
Der Bäcker ist einer der wenigen Aussteller, die das erste Mal dabei sind. Vor seinem Stand wartet eine lange Schlange. Der Christkindlmarket in Chicago zieht selbst aus dem etwa 1000 Kilometer entfernten US-Bundesstaat Maryland Besucher an. Siebrecht würde gern eine deutsche Bäckerei in den USA eröffnen und probiert hier aus, »was den amerikanischen Geschmack trifft«. Auch andere Gründe ziehen deutsche Aussteller an: »In Deutschland auf den großen Traditionsmärkten bekommen Sie keinen Stand mehr, ohne dass Sie den erben«, sagt Ray Lotter.
Der für einen deutschen Weihnachtsmarkt essenzielle Glühwein kommt aus dem Chicagoer Umland, von der deutschstämmigen Winzer- Familie Glunz. Nach einem Familienrezept hergestellt, trifft der sehr süße Wein den Geschmack der Amerikaner. Mit Glühweinbechern in der Hand schlendern sie zwischen den Buden umher. Und auch das ist ein kleines Phänomen des »Christkindlmarket« - normalerweise ist der Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen in den USA strengstens untersagt.

Artikel vom 24.12.2005