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Platzenge und Säurefraß machen
dem Haus schwer zu schaffen

Deutsches Literaturarchiv in Marbach am Neckar ist 50 Jahre alt

Marbach (dpa). Den Gästen hätte beim Besuch des nun 50 Jahre alten Deutschen Literaturarchivs Marbach eigentlich mehr geboten werden sollen.

In der Stadt am Neckar wollte die Deutsche Schillergesellschaft als Träger des Archivs erstmals das Literaturmuseum der Moderne, das »LiMo«, vorstellen. Doch die Bauarbeiten dieses architektonischen Säulenbaus von David Chipperfield ziehen sich hin. Seitdem die Handschriftensammlung des Verlagshauses Cotta 1952 in die Schillerstadt kam, wächst das 1955 gegründete Deutsche Literaturarchiv so stark, dass neue unterirdische Depots und eine Ausstellungsfläche notwendig wurden. Mittlerweile ist die Schillerhöhe, ein Berg mit bestem Ausblick in die Neckarlandschaft, unterirdisch ausgehöhlt. »Mit der Erweiterung nun werden wir erst einmal ein paar Jahre Ruhe haben«, sagt der Direktor des Literaturarchivs, Ulrich Raulff.
Doch nicht nur der ständige Platzmangel belastet die Archivarbeit, zunehmend ist auch das Papier alter Dokumente durch Säurefraß vom Verfall bedroht. 1100 Schriftstücke und Nachlässe von Schriftstellern und Gelehrten beherbergt dieses »Gedächtnis der Literatur der vergangenen drei Jahrhunderte«, darunter auch Alfred Döblins Erbe und Franz Kafkas »Proceß«-Originalmanuskript. Nicht nur Papier arbeiten die Wissenschaftler in den Depots auf. Auch Möbel, Gemälde und persönliche Gegenstände gehören zu den Erbschaften.
Die Ursprünge der Archivs liegen in dem klassizistisch nachempfundenen Schiller-Nationalmuseum, als Museum und Archiv für Schiller und als »Pantheon des schwäbischen Geistes« gebaut und 1903 eingeweiht. Es gilt heute als einziges übergreifendes Literaturmuseum in Deutschland für Schiller und alle die anderen, die nach ihm kamen, mit Schwerpunkten beim Expressionismus und der Exilliteratur.
Inzwischen widmet sich das Deutsche Literaturarchiv der gesamten deutschen Literatur. Im Neubau soll künftig eine bunte Mischung aus neueren Handschriften, Büchern, Erinnerungsstücken, Ton- oder Filmzeugnissen ausgestellt werden, ebenso wie Drehbücher des einen oder anderen Werks. Die Konkurrenz unter den sammelnden Einrichtungen in Deutschland ist derweil groß.

Artikel vom 09.11.2005