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Was noch nicht erzählt worden ist

Günter Potthoff will neue Erkenntnisse übers Holter Schloss in einem Buch verarbeiten

Schloß Holte-Stukenbrock (kl). Erzählt wird viel, gesichert ist wenig. Das soll sich ändern. Heimatforscher Günter Potthoff (59) hat sich einer großen Aufgabe gewidmet. Er will Licht ins Dunkel der Geschichte und Geschichten ums Holter Schloss bringen. Zwei Jahre hat er schon investiert. Weitere zwei Jahre wird es noch dauern, schätzt er.

Denn die Arbeit ist aufwendig und kostspielig. Doch die Recherche in diversen Archiven hat schon so einiges Interessantes zutage gefördert. Zum Beispiel soll die Schlosskapelle viel früher erbaut worden sein, als man bisher angenommen hat. Potthoff hat alte Gerichtsakten gefunden, die das möglicherweise belegen. Auch dass die Franziskaner aus Rietberg in der Schlosskapelle Messen gelesen habe, sei noch nicht bekannt gewesen, sagt Potthoff. »Es gibt einige Aspekte, über die noch nie berichtet worden ist«, sagt der Heimatforscher und nennt als Beispiele das Vorwerk, die fürstliche Bleiche und die Ziegelei.
Stichwort Vorwerk: Das sind bäuerliche Gebäude, die auf dem Gelände standen, auf dem später die Eisenhütte errichtet wurde. Mit der Landwirtschaft wurde zum Teil das Schloss versorgt.
Stichwort Bleiche: Eine sehr kurze Episode im 18. Jahrhundert. Ein gewisser Freiherr von Franken soll sie auf dem Gelände errichtet haben, wo sich heute das Sägewerk befindet. Es war eine so genannte holländische Rasenbleiche. Man hielt extra Kühe, deren Milch als Bleichmittel für die Leinentücher verwendet wurde. Teile des Vorwerks sollen zu Betriebsgebäuden für die Bleiche umgebaut worden sein. Letztendlich habe sich der Betrieb jedoch nicht gelohnt und der Freiherr soll die Grafschaft in die Pleite gewirtschaftet haben. Am Ende, so hat Potthoff herausgefunden, waren da Schulden in Höhe von 23307 Reichstalern und 33 Mariengroschen.
Stichwort Ziegelei: Die soll um 1745 in der Nähe des alten evangelischen Friedhofs (heute Gluckweg) gestanden haben. Mit den Ziegelsteinen sind nach Potthoffs Erkenntnis viele Gebäude in der Gegend errichtet worden, darunter so bekannte Häuser wie das Haus Münte in Rietberg, in dem dereinst die gräflichen Verwaltungsbeamten lebten. Heute ist es der Wohnsitz der Familie Tenge-Rietberg. Und tiefe Löcher im Holter Wald kennzeichnen noch die Stellen, an denen einmal der Lehm für die Ziegel abgebaut worden ist.
Interessant ist auch die Vorgeschichte. Belegt ist nämlich, dass schon vor der Errichtung des Schlosses ein Haus in der Holte stand. Darüber ist nur sehr wenig bekannt, außer, dass es 1556 durch die Lipper zerstört worden ist. Und das Schloss hieß zu Beginn nicht Schloss, sondern einfach nur Haus Holte, der Begriff Schloss tauchte erst um 1700 auf. Potthoff hat alte Inventarlisten gefunden, aus denen hervorgeht, wie das Gebäude zu einer bestimmten Zeit möbliert war. Soldrechnungen belegen, das »ein Gefreiter und vier Gemeine« zur Bewachung des Schlosses und der Bleiche aus Rietberg abgestellt waren.
»Es muss auch einen Kerker gegeben haben«, ist Potthoff sich sicher. Denn immer wieder wurden Wilderer (vor allem aus Stukenbrock) im Holter Wald erwischt. Möglicherweise wurden die in Rietberg vor Gericht gestellt, aber vorher mussten sie ja hier festgehalten werden.
Viele Fragen sind noch offen. Gab es eine Fischzucht in der Schlossgräfte? Wann ist die Schule im Schloss gebaut worden? Zu welcher Zeit war das Schloss nur über eine Zugbrücke erreichbar? Was ist mit der Teerfabrik und der Kalkbrennerei, die es auch gegeben haben soll? »Man hat vieles angenommen, was doch nicht so ist«, sagt Potthoff.
Doch die Recherche ist mühsam. Allein acht Tage habe er schon im Staatsarchiv in Münster zugebracht. Viele Dokumente hat er sich dort für ein genaueres Studium kopieren lassen, was sicher einige hundert Euro Kopierkosten verschlungen hat. Auch im Detmolder Staatsarchiv und im Tenge'schen Privatarchiv hat Günter Potthoff gestöbert. Unterstützung hat ihm der Rietberger Stadtarchivar, Manfred Beine, zugesagt, der sich gefreut habe, dass endlich mal jemand sich mit diesem Kapitel befasst. Hilfe aus der Bevölkerung könnte kommen, wenn jemand noch Fotos aus der Nachkriegszeit hat. Da sind nämlich kurzfristig Vertriebene im Schloss einquartiert gewesen.
Ob bei der ganzen Arbeit am Ende wirklich ein Buch herauskommt, das ist noch gar nicht so ganz sicher. Denn an die Auflage der anderen Bücher aus seiner Feder wird er mit diesem speziellen Thema nicht herankommen, fürchtet Potthoff. Andererseits sei das Interesse am Schloss groß, wie man beim Tag des offenen Denkmals vor zwei Jahren gesehen habe. Größtes Problem sind die Kosten. Potthoff sucht noch Sponsoren, die mithelfen, den Buchpreis erschwinglich zu halten.

Artikel vom 09.11.2005