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Malz-Brüder wurden
Farmer in Kalifornien

Ein Auswanderer schickte der Familie ein Bären-Bild

Von Hartmut Horstmann
Vlotho (VZ). Die Tier- und Abenteuergeschichten des Schriftstellers Jack London kündeten einst von den Weiten Nordamerikas. So wild musste die Neue Welt sein. Nicht auf die Schilderungen des Literaten angewiesen indes war die Familie Malz. Auswanderer aus der eigenen Familie versorgten sie mit Neuigkeiten aus Kalifornien.

Einen optischen Eindruck erhielten die Vlothoer durch ein Bild, welches ein Familienmitglied in die Heimat geschickt hatte. Mit dem »Bärenbild« beschäftigt sich Dr. Ulrich Malz in einem Beitrag, der in einem historischen Jahrbuch erschienen ist: »Der Minden Ravensberger 2006 - Berichte und Bilder aus der Region.«
Die Zeitreise führt zurück ins Vlotho des Jahres 1890. Im Haus Malz lebte eine Familie mit sechs Kindern, von denen der älteste Sohn, Hermann, den Entschluss fasste, sein Glück in Amerika zu versuchen. 1890, so der Autor, sei er mit der »Europa« von Bremerhaven nach New York gefahren, von wo aus er sich bis Kalifornien durchschlug. Dort heiratete Hermann Malz und wurde Farmer.
Doch so ganz ohne die Lange Straße in Vlotho konnte der Auswanderer nicht auskommen. Nach zehn Jahren kehrte er kurz zurück und erzählte seiner Familie vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Dieses würde nicht von einem Kaiser regiert, sondern von einem Präsidenten, der alle vier Jahre vom Volk neu gewählt würde, schreibt Ulrich Malz in seinem Beitrag.
Hermanns jüngerer Bruder Gustav war beeindruckt und folgte ihm 1930 - also Jahrzehnte später. Er wurde ebenfalls Farmer und entdeckte die Freude am Malen. Der Autor: »Obwohl er nie Malunterricht genossen, geschweige denn eine Kunstakademie besucht hatte, gelangen die Bilder gut.«
Irgendwann beschlossen die beiden Brüder am Russian River zu campen. Mit dem Kanu waren sie unterwegs, bis sie einen Platz an einem See gefunden hatten. Zum Abendessen wollten sie es sich gut gehen lassen - und hatten die Rechnung ohne eine Bärenfamilie gemacht. Eine Bärin mit zwei Jungen wollte sich über den gebratenen Speck hermachen, doch taten sich ihr unerwartete Schwierigkeiten in Form eines Stinktieres auf. Die feinnasigen Bären verließen hungrig die Szenerie, Gustav Malz, der das Geschehen mit seinem Bruder aus sicherer Distanz verfolgt hatte, meinte: »Hermann, die Szene male ich und schicke das Bild an Bruder Carl!«
Gesagt, getan - um Weihnachten, weiß Ulrich Malz, sei in Vlotho eine Kiste aus Amerika eingetroffen. Sie enthielt eine Lampe, die in ein bemaltes Leinen eingewickelt war - jenes Bild, das Gustav Malz vom Bären-Abenteuer versprochen hatte. Und weil auch die Vlothoer Bürger die Chance haben sollten, die Eindrücke aus der Neuen Welt zu teilen, hängte es der Arzt Carl Malz in seinem Wartezimmer auf. Dort war es Jahrzehnte zu bestaunen.

Artikel vom 09.11.2005