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Bücher halten die Erinnerungen wach

Pogromnacht heute vor 67 Jahren: Synagogen in Brakel, Driburg und Pömbsen verwüstet

Von Michael Robrecht
Brakel/Bad Driburg (WB). Auch in Brakel und Bad Driburg erinnern sich die Menschen heute wieder an die Ereignisse in der Pogromnacht am 9. November 1938. Für viele Bürger verblasst die Zeit der Judenverfolgung jedoch, und so mancher verbindet mit dem 9.11. eher den Fall der Berliner Mauer; andere denken auch an den Sturz der Kaiser-Monarchie am 9. November 1918.

In der Nacht vom 9. zum 10. November vor 67 Jahren brannten fast alle Synagogen im Kreis Höxter. Dr. Herbert Engemann schreibt in der »Geschichte der jüdischen Mitbürger in Brakel« über die so genannte Reichskristallnacht: »Es sind jüdische Geschäfte und die Synagoge Ostheimer Straße 14 beschädigt worden. Auch der jüdische Friedhof oberhalb der Stadthalle am Hembser Berg wurde verwüstet.« Die Brakeler Synagoge, so Engemann, sei 1938 aber nicht wie in anderen Städten von den Nazis angezündet worden, »weil sie in direkter Nachbarschaft zu anderen Gebäuden stand, die sonst von einem Flammenmeer mit zerstört worden wären«. Jedoch wurden Fensterscheiben eingeworfen und die Inneneinrichtung beschmutzt. Die kleine Orgel der jüdischen Gemeinde in Brakel, so die Überlieferung, habe der Verwüstung stand gehalten.
Große Schäden meldeten die jüdischen Kaufleute Nathan Rothenberg, August Sommer Königstraße, Richard Flechtheim Thystraße, Salli Liebenberg Adolf-Hitler-Straße und Robert Dahlberg Bohlenweg bei der Provinzial-Versicherung. Herbert Engemann hat ermittelt, dass die hohen Schäden (650 Mark) bei Familie Dahlberg daher stammten, weil Frau Dahlberg einen Wintergarten mit exotischen Vögeln besaß.
In Brakel erinnert eine Gedenktafel mit allen Namen der umgekommenen Brakeler Juden (er ist am Eingang zum jüdischen Friedhof angebracht) an die Nazi-Zeit.
Auch in Bad Driburg ist es in der Pogromnacht zu Nazi-Aktionen gekommen. Dr. Peter Bonk weist im Buch »Bad Driburg 1933-45« darauf hin, dass heute ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof an die unschuldigen Opfer der NS-Willkür in Driburg erinnert. SA-Männer hatten am 9. November 1938 versucht, die Synagoge in der Driburger Schulstraße anzuzünden. Die massiven Außenmauern hielten dem Feuer aber stand. Das Gotteshaus wurde innen verwüstet. Von Bad Driburg aus, so Dr. Bonk, seien die Brandstifter dann auf einer »Dienstkontrollfahrt« nach Pömbsen gefahren und hätten die dortige Synagoge angezündet und schwer beschädigt. Es sei auch hier zu Gewalttätigkeiten gegen Juden und zu Plünderungen von Geschäften gekommen. Von Pömbsen fuhren die braunen Horden nach Nieheim, wo sie mit den dort ansässigen Nazis nach Steinheim weiter wollten, um dort die große Synagoge anzustecken. Aufgebrachte Bauern, die sich mit Mistgabeln bewaffnet den Driburgern in den Weg stellten, verhinderten jedoch die Weiterfahrt nach Steinheim. Gegen fünf dieser Driburger Nazis wurde dann 1949 Anklage erhoben, drei sind frei gesprochen, zwei zu je neun Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Dr. Bonk schreibt, dass die Driburger Synagoge nach 1938 von der Feuerwehr als Gerätehaus und Wagenstellplatz benutzt wurde. Nach dem Krieg zog dort das Portugiesische Zentrum ein.

Artikel vom 09.11.2005