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Hauptschule ist unverzichtbar

Schulleiterin sieht keine Bestandsgefährdung, plädiert aber für Änderungen

Von Angelika Krückemeier
Vlotho (VZ). Müssen Hauptschüler aus Vlotho in nicht allzu ferner Zukunft in einer der Nachbarstädte die Schulbank drücken? Der Lehrerverband VBE schließt das nicht aus. Die Stadt Vlotho als Schulträgerin und die Schulleitung sehen das allerdings ganz anders.

Die Hauptschule Vlotho gehört zu den 270 weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen, deren Bestand potentiell gefährdet ist. Das jedenfalls besagt die von der Universität Dortmund im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) erstellte Studie, die in dieser Woche vorgestellt wurde (VLOTHOER ZEITUNG von Dienstag). Danach werden sich die Schülerzahlen der Jahrgangsstufe fünf bis 2013 so weit verringern, dass die vorgeschriebene Zweizügigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Laut Prognose wechseln im Schuljahr 2013/2014 nur noch 26 Schülerinnen und Schüler in diese Schulform. 48 aber müssten es mindestens sein.
Das Problem der Hauptschule liegt nicht an den im Zuge des allgemeinen demographischen Wandels schrumpfenden Schülerzahlen, sondern am so genannten Übergangsverhalten: Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder aufs Gymnasium oder in die Realschule. Sie machen von ihrem gesetzlichen Entscheidungsrecht Gebrauch - auch bei anders lautender Empfehlung der Grundschule.
Das ist die Ursache dafür, dass die fünften Hauptschulklassen zunehmend schwächer besetzt sind. »Mit der Folge, dass wir in den Klassen sechs und sieben mit dem Rückläufer-Problem fertig werden müssen«, erklärt Hauptschulleiterin Annette Seyer. »Wobei man auch mal daran denken sollte, was der erneute Wechsel für die Kinder bedeutet.«
Schon heute wird ein Drittel der Gymnasiasten und Realschüler an die Hauptschule verwiesen, weil sie mit dem Lernstoff überfordert waren. Tendenz steigend.
Nach Klasse sieben ist Zweizügigkeit damit auf jeden Fall gesichert. Vor diesem Hintergrund bleibe die Hauptschule unverzichtbarer Bestandteil des örtlichen Schulsystems, ist Annette Seyer überzeugt: »Es wird immer Kinder geben, für die diese Schulform genau die richtige ist, die sie mit einem guten Abschluss und guten Chancen verlassen.«
Zugleich geht Vlothos Hauptschulrektorin einig mit dem VBE, dass für die Jahrgangsstufe fünf eine andere als die bisherige Lösung gefunden werden muss. Annette Seyer: »Auf Dauer muss ein Modell gefahren werden, das Schüler in den Klassen fünf und sechs zusammenfasst und sich die dann anstehende Wahl der Schulform am Kind und nicht allein am Elternwillen orientiert.«
Im örtlichen Schulamt reagierte man gestern konsterniert auf das Ergebnis der vom VBE vorgestellten Studie. »Eine kühne Prognose. Unsere Schulentwicklungsplanung geht von ganz anderen Zahlen aus«, sagte Helmut Züchner. Gleichwohl belegt auch seine Statistik den Trend hin zu anderen Schulformen:
l Im Schuljahr 2003 waren 29 Prozent der Grundschüler in Vlotho auf die Hauptschule gewechselt, 2004 waren es 19 Prozent und im Sommer dieses Jahres noch ganze 13 Prozent (oder gut 30 von 230 Kindern). Das sei jedoch ein Ausreißer, so Züchner. »Unsere Erfahrungswerte besagen, dass das kein Trend auf Dauer ist.«

Artikel vom 09.11.2005