08.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Politik zaudert: Protest
zeigt offenbar Wirkung

Pfarrer will beim Martinszug Unterschriften sammeln

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Bad Lippspringe (WV). Der massive Widerstand gegen den Bau einer umstrittenen Umgehungsstraße in Bad Lippspringe zeigt offenbar Wirkung bei Badestädtern Kommunalpolitikern. Der Bauausschuss verzichtete gestern Abend auf eine Abstimmung und Beschlussempfehlung. Die Entscheidung über die gut acht Millionen teure Tangente im Südosten der Stadt soll jetzt allein der Rat in öffentlicher Sitzung nächsten Montag (18 Uhr Rathaus) fällen.

Rund 70 Anwohner aus Bad Lippspringer Wohnsiedlungen verfolgten am Abend im Rathaus die Bauausschusssitzung und attackierten mit heftigen Zwischenrufen immer wieder die Politik von Bürgermeister Willi Schmidt, der sich in einer 25-seitigen Vorlage eindeutig für den Bau der Umgehungsstraße sowie eine Anbindung über den Beispring und über die Spielstraße an der Maximilian-Kolbe-Kirche und am Martinskindergarten ausgesprochen hatte (wir berichteten). Bauausschuss-Vorsitzender Martin Schulte (CDU) drohte zwischenzeitlich mit dem Abbruch der Sitzung.
Als einziger Ratsherr machte gestern Abend Bernhard Krewet von den Bündnisgrünen aus seiner klaren Ablehnung der Umgehungsstraße keinen Hehl. Er bezweifelte erneut den Sinn dieser Straße, wenn sie laut Gutachter die Ortsdurchfahrt lediglich um 3000 Fahrzeuge entlaste. Die meisten Autofahrer würden weiterhin auf der Detmolder Straße bleiben, um ihre Ziele (Einkaufen, Ärzte, Kirche, Arbeitsplätze) zu erreichen. »Das sind sonst doch vier Kilometer Umweg«, schüttelte Krewet den Kopf. Dagegen drohe der heutigen Spielstraße und Sackgasse Maximilian-Kolbe-Straße nach einer Öffnung als ausgebauter Zubringer eine enorme Verkehrsbelastung. Der gesamte Besucherverkehr der Westfalen-Therme werde diese Straße nutzen. In Anlehnung an ein Zitat der designierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Krewet die weitere Verschuldung der Stadt um drei Millionen Euro »ein Verbrechen an unsere Kinder«.
Der Grüne-Abgeordnete stieß mit seiner Tangenten-Kritik auf großes Schweigen in den übrigen Fraktionen. Allein Wilfried Stöber als CDU-sachkundiger Bürger bezeichnete die Umgehungsstraße als sinnvoll. Die übrigen Politiker schwiegen und warten auf Montag.
Die Tangenten-Gegner wollen ihre Proteste verstärken. Heute Abend tagen in einer Sondersitzung Eltern, Erziehungsberechtigte und Pfarrer im Martinskindergarten. Pfarrer Georg Kersting (44) regt eine Unterschriftenaktion beim Martinszug am Donnerstagabend an. Für die Unterschriften will der Pfarrer, der eindeutig gegen einen Zubringer über die Maximilian-Kolbe-Straße vor der Kirchentür ist, auch zum Schluss der Gottesdienste am Wochenende werben. Für Samstag ruft die Bürgerinitiative der Maximilian-Kolbe-Straße zur Radtour und Trassenbesichtigung der umstrittenen Tangente auf. Sie hofft, dass dann auch mal Stadträte kommen, bevor Montagabend im Rathaus abgestimmt wird.(Leserbriefe)

Artikel vom 08.11.2005