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150 Menschen gedenken
der Opfer der Pogromnacht

Kranzniederlegung auf dem Jüdischen Friedhof Rheda

Rheda-Wiedenbrück (joz). Anlässlich der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, deren Datum sich am Mittwoch zum 67. Mal jähren wird, versammelten sich am Sonntagvormittag etwa 150 Menschen auf dem Jüdischen Friedhof in Rheda zur traditionellen Gedenkveranstaltung.

Bürgermeister Bernd Jostkleigrewe begann seine Eröffnungsrede mit dem Zitat von Bismarck: »Wir wissen, wo ein Krieg beginnt, aber wir wissen nicht, wo er endet.« Weil dies so sei, lag ihm viel daran, die Israel AG des Einsteingymnasiums unter der Leitung der Religions- und Französischlehrerin Elisabeth Meier mit lobenden Dankesworten zu erwähnen, da sie die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten pflege.
Die 30 Schüler zählende Arbeitsgemeinschaft leistete ihren beeindruckenden Beitrag. Die jungen Menschen entzündeten 62 in den Farben Israels blau und weiß dekorierte Windlichter, die um das Mahnmal in der Form eines Sechssterns angeordnet waren. Jedem einzelnen der 62 an dem Mahnmal eingravierten jüdischen Opfer aus Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock wurde zum stillen Gedenken ein Licht angezündet. Dabei wurde von den Schülern teils rezitierend, mit einem Spruch des Propheten Israels, wie auch in individuellen Beiträgen darauf hingewiesen, auch heute den Anfängen zu wehren, Minderheiten durch Offenheit und Zivilcourage zu schützen und nie zu vergessen.
Nachdem der Kranz mit der Aufschrift »Die Stadt Rheda-Wiedenbrück in stillem Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung« zur rechten Seite der Stele niedergelegt worden war, wies der evangelische Pfarrer Ernst Otto Meinhardt auf die Wichtigkeit der Menschenwürde hin, die ihre Wurzeln auch im Religiösen hat. »Die Seele der Opfer steht in der hebräischen Tradition auf gleicher Stufe mit allen Heiligen und Reinen«, sagte er. »Ihre Seele möge im Gebinde des Lebens eingebunden sein«, fügte er hinzu.
Die Vorsteherin der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld, Irith Michelsohn, zeigte sich in ihrer Gedenkansprache sehr besorgt über die Meldung des Bundesinnenministeriums, dass allein im September 2005 mit steigender Tendenz 969 rechtsextremistische Taten und Delikte in Deutschland aufgetreten seien. Es war ihr aber besonders wichtig mitzuteilen, dass Juden heute keine Vorwürfe machen wollten. Mit der Besinnung auf jenes, »was vor fast sieben Jahrzehnten begann und zur Ermordung von mehr als sechs Millionen Juden führte«, sei nicht die Absicht verbunden, »nichtjüdischen Menschen ein schlechtes Gewissen zu bereiten«, fuhr Michelsohn fort.
Hoffnung und Trost klangen in der Stimme des Vorstandsmitglieds der Kultusgemeinde Bielefeld, Paul Yuval Adam. Er sang das hebräische Gedenken an die Toten, »El Male Rachamim«, welches auch auf das Erbarmen Gottes hinweist.

Artikel vom 07.11.2005