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Jeder ist seines Glückes Schmied

Henk Hiller: Mit 23 Jahren der Jüngste seiner alten Zunft im Kreis Gütersloh

Von Christian Bröder
Kreis Gütersloh (WB). Es zischt und qualmt, die Luft stinkt nach Horn - aber das Eisen sitzt. Für Henk Hiller (23) aus Rheda Wiedenbrück liegt das Glück der Erde unter den Beinen der Pferde. Er ist Hufschmied - einer von knapp 4500 in Deutschland und der jüngste im Kreis Gütersloh.

»Ich bin mit den Tieren groß geworden«, sagt er. Schon mit elf Jahren sitzt Henk fest im Sattel. Hoch zu Ross verbringt er oft stundenlang auf dem Reitplatz. Ob Mister Ed, Black Beauty oder Fury - er kennt alle Pferde vom Hof. Sein Berufswunsch, keine Frage! »Jeder ist seines Glückes Schmied. So kam mir die Idee, Hufschmied zu werden«, blickt der gelernte Metallbauer zurück. Nach der Anerkennungszeit beim Lehrmeister in Verl und bestandener staatlicher Prüfung in Dortmund ist das Ziel erreicht: Seit August diesen Jahres reist Henk im Ford Transit von Stall zu Stall. Er ist Hufschmied mit Leib und Seele. Reitvereine, Gestüte, Landwirte und Züchter aus der Region wissen: Wenn der Mann mit dem gelben Schmiede-Mobil um die Ecke kommt, gibt's neue Eisen. »Früher musste der Kunde zur Schmiede fahren, heute kommt der Schmied praktisch als mobiler Dienstleister zum Kunden raus«, erklärt Hiller. Vor Ort folgt harte Knochenarbeit und sicherlich kein Job für jedermann. Ein Blick über die Schulter: Die alten »Treter« kommen runter, der Huf wird ausgeschnitten und glatt gefeilt. Bis auf fast 900 Grad wird das neue Eisen im Gasschmiedeofen erhitzt, dann gehämmert und geformt. Mit knapp 400 Grad Restwärme brennt es sich für ein paar Sekunden in das Horn im Huf. »Das Pferd merkt nichts davon, aber es stinkt gewaltig - ungefähr wie verbrannte Haare«, erklärt Henk Hiller. Jetzt noch kräftig nageln und fertig ist das neue Gehwerk. Da es immer gut ist, zwei Eisen im Feuer zu haben, setzt Hiller zusätzlich auf orthopädischen und therapeutischen Hufbeschlag. Diesen führt er in enger Zusammenarbeit mit Tierärzten und Physiotherapeuten aus der Region nach aktuellem Forschungs- und Wissensstand durch. Zudem hat er immer einen Helfer dabei, denn Pferd ist nicht gleich Pferd. »Jedes Tier ist anders, muss anders angepackt werden. Mal werde ich lauter, dann streichle ich es auch schon mal. Das Pferd muss mich erst akzeptieren, bevor ich ihm neue Hufe machen kann.« Viel Aufwand also, doch die für Ausbildung und Ausrüstung investierte Mühe lohnt sich - die Pferde-Branche boomt. Gerade im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen: Immer mehr Städter schwingen sich am Wochenende in den Sattel. Kaum noch ein Bauernhof, der nicht Stallplätze an Freizeitreiter vermietet. Die Zahl der Pferde in Deutschland hat sich in den vergangenen 35 Jahren verdreifacht. Nach Auskunft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) leben etwa 1,1 Millionen Pferde in Deutschland. Die meisten Vierbeiner müssen sich etwa alle acht Wochen ihre Hufe bearbeiten lassen. Auch Henk Hiller scheint somit bei der Jobwahl auf's richtige Pferd gesetzt zu haben: »Die Abwechslung bei meiner Arbeit macht mir Spaß, und die Berufsaussichten würde ich gut einschätzen. Reiten ist mittlerweile ein Breitensport. Da ist auch genug Arbeit für alle da.«

Artikel vom 05.11.2005