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Kreis will keine
Kredite mehr

Wege der Haushaltskonsolidierung

Von Wolfgang Braun (Text)
und Harald Iding (Foto)
Kreis Höxter (WB). Der Kreishaushalt 2006 soll ohne Aufnahme von Kassenkrediten im konsumptiven Bereich und ohne Nettoneuverschuldung im investiven Bereich bewerkstelligt werden. Unberührt von diesem Ziel sind kurzfristige Kredite für einige Tage möglich, beispielsweise um Sozialhilfe oder Gehälter zahlen zu können.

Zu diesem Schritt zwingt ein strukturelles Defizit beim Kreis von fast acht Millionen Euro und die Tatsache, dass die Rücklagen aufgebraucht sind. Das Kreditverbot beschloss der Kreistag - gegen neun Stimmen aus den Reihen der SPD-Fraktion.
Alle Bemühungen dienen dem Ziel der Haushaltkonsolidierung. Dieser Prozess soll unter fachlicher Begleitung der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) vonstatten gehen. Den Kosten für die externe Beratung in Höhe von 25 000 Euro stimmte der Kreistag einmütig zu. Die Deckung dieser Ausgaben erfolgt aus einer höheren Gewinnbeteiligung bei Radio Hochstift.
Akzeptiert wurde auch der Vorschlag der Verwaltung, den Haushaltsentwurf durch eine interfraktionelle Arbeitsgruppe mit Vertretern der Verwaltung und des Personalrates erarbeitet zu lassen. Dabei sollen Ausgabenkürzungen »auch unter Einbeziehung gesetzliche gebundener Bereiche« vorbereitet werden. Das will heißen: Zur Haushaltskonsolidierung werden Kürzungen nicht nur im freiwilligen, sondern auch im gesetzlich vorgeschriebenen Bereich erfolgen müssen.
Das ist aber rechtlich nicht unbedenklich: Auf Anregung des Grünen-Abgeordneten Hans-Georg Harrer hatte der Justitiar des Kreises, Dr. Klaus Drathen, ein Gutachten darüber erstellt, wann sich Kreistagsabgeordnete bei der Einschränkungen von Pflichtleistungen, also beim Sparen, strafbar machen können. »Wenn die Beschlussvorlage so zu verstehen ist, dass die Verwaltung angewiesen werden soll, gesetzliche Leistungen ganz oder zum Teil zu versagen, liegt eine Gesetzesverletzung vor, die ein persönliche Haftung sowohl der Kreistagsmitglieder als auch des Landrats begründet«, so Dr. Drathen. Anders liege der Fall jedoch, wenn der Kreistag seinen Ermessensspielraum restriktiv nutze: »Etwaige Beeinträchtigungen des öffentlichen Wohls lassen sich durch das Ziel der Haushaltskonsolidierung, das ja ebenfalls dem öffentlichen Wohl dient, rechtfertigen«, sagte der Jurist.
Grundsätzlich waren alle Fraktionen mit den Ziel der Haushaltskonsolidierung einverstanden. Nur über das »Wie«, da schieden sich die Geister.
Während die Verwaltung - unterstützt von der CDU und dann auch von den meisten anderen Fraktionen - als Grundlage der Konsolidierungsberatungen in der interfraktionellen Arbeitsgruppe die Aufnahme von längerfristigen Krediten ablehnte, sah die SPD-Fraktion das anders: SPD-Fraktionschef Andreas Suermann legte einen Alternativ-Antrag zum Verwaltungsvorschlag vor, der das Verfahren selbst einer Haushaltskonsolidierung durch eine interfraktionelle Arbeitsgruppe in den Vordergrund stellte. Die Ziele der Haushaltspolitik sollten aber erst in dem Gremium selbst definiert werden. Insbesondere war Suermann nicht mit der grundsätzlichen Ablehnung längerfristiger Darlehen einverstanden, sondern wollte das Ziel einer »dauerhaften Erhaltung der Handlungs- und Leistungsfähigkeit des Kreises Höxter« festgeschrieben haben: »Wir wissen gar nicht, ob wir die Null-Schulden-Politik durchhalten können.« Backhaus: »Natürlich wollen wir die Leistungsfähigkeit erhalten. Doch wir sagen auch, wie dieses Ziel zu erreichen ist.« Denn der Kreis verliere seinen Handlungsspielraum vollends, wenn in der Folge einer weiteren Verschuldung Zins und Zinseszins die Luft zum Atmen drosselten: »Dann sind wir fertig mit der Welt«, brachte er das drohende Desaster auf den Punkt. Die Zeche zahlten die Städte, die durch mehr Kreisumlage den Kreisetat sanieren müssten.
Zunächst waren die Unterziele des Verwaltungsvorschlags bei der Haushaltskonsolidierung - wie Priorität für Arbeitsplätze, Abmilderung des demographischen Problems und Vermeidung unnötiger Verwaltungslasten - diskutiert worden. Die SPD wollte jedoch mit dem Teilziel »Ausrichtung an den notwendigen Bedürfnissen der Menschen im Kreis« andere Schwerpunkte setzen. Diese langatmige Diskussion wurde jedoch zugunsten einer raschen Entscheidung für das Kreditverbot eingestellt. »Wir zerreden unsere guten Ansätze«, hatte Harrer nicht ohne Erfolg vor diesen Debatten gewarnt.

Artikel vom 07.11.2005