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Sechs Pianisten an zwei Flügeln

»Hexameron«: Pianistische Weltklasse in der Gütersloher Stadthalle zu erleben

Gütersloh (joz). An zwei Bösendorfer Konzertflügeln ließen sechs Pianisten und Pianistinnen am Donnerstag im großen Saal der Gütersloher Stadthalle das legendäre »Hexameron« wieder aufleben.

Dieses höchst virtuose Werk wurde 1837 für ein Wohltätigkeitskonzert im Hause der Prinzessin Belgiojoso in Paris von den sechs berühmtesten Pianisten ihrer Zeit in einer Reihe von sechs bravourösen Variationen über einen Marsch aus der Oper »Die Puritaner« von Vincenzo Bellini mit einer Einleitung, einem Thema wie einem Finale verfasst.
Das vom Kultursekretariat NRW Gütersloh veranstaltete Programm wurde mit weiteren Kompositionen der an der Hervorbringung des »Hexameron« beteiligten Pianisten - Franz Liszt, Johann Peter Pixis, Carl Czerny, Sigismund Thalberg, Henri Herz und Frédéric Chopin - vervollständigt. Der aus Filmen wie »Lulu« oder »Die weiße Rose« bekannte Berliner Schauspieler Hans-Jürgen Schatz moderierte mit großer Feinsinnigkeit die »Reise in die Vergangenheit« und die »Blütezeit der Pariser Salons des frühen 19. Jahrhunderts«.
Der zu der exklusiven Elite der weltberühmten Spitzenpianisten zählende und mit vielen internationalen Spezialpreisen ausgezeichnete Bernd Glemser eröffnete das Konzert allerdings mit der ersten der Sechs Variationen über ein eigenes Thema op. 34 von Ludwig van Beethoven. Mit den weiteren Variationen zeigten Catherine Klipfel, Kira Ratner, Michael Preiser, Alina Kabanova und Enikö Bors ihr musikalisches Virtuosentum. In der Rolle von Czerny (1791-1857) und dessen Variationen op. 33 über »La Ricordanza« wie auch nach der Pause in der fünften Variation des »Hexameron« wusste Catherine Klipfel mit wie aus reinen Farben perlenden Tonfolgen in ihre musikalischen Gefilde zu entführen.
Michael Preiser fiel in der Rolle von Thalberg (1812-1871) in dessen Transkription des »Lacrimosa« aus Mozarts Requiem wie in der ersten Variation des »Hexameron« durch sein sehr sensibles Spiel auf. Er glänzte in seinen hoch musikalischen, technisch perfekten Interpretationen. So reichte er an Bernd Glemser im Rákóczy-Marsch in der Bearbeitung für zwei Klaviere von Franz Liszt (1811-1886) durchaus heran. Kira Ratner als Frédéric Chopin (1810-1849) spielte dessen Ballade Nr. 3 mit großer Innigkeit und Expressivität. In der sechsten Variation des »Hexameron« bewies sie ihre Genialität durch ihr unübertriebenes Spiel auch sehr schneller Läufe. Alina Kabanova sorgte in der Rolle von Henri Herz (1803-1888) und in dessen Marche et Rondo sur »La Clochette« de Paganini op. 63 für einen vielstimmigen Tonsegen mit virtuosen Höhepunkten. Ihre vierte Variation des »Hexameron« erklang wie reine Anmut, wobei ihre Finger die Tasten besonders während der schnellen Läufe kaum zu berühren schienen.
Auch das Spiel von Enikö Bors in der Rolle von Johann Peter Pixis (1788-1874) wirkte in dessen Exercises en forme de Valse (Ländler) wie die Erfüllung eines Traums nach Harmonie, Schönheit und inspirierender Feinfühligkeit. Die dritte Variation des »Hexameron« leuchtete durch ihr großes Können. Bernd Glemser als Franz Liszt (1811-1886) übertraf mit dessen Rhapsodie Espagnole alle Erwartungen, wobei er einerseits die tiefgründige, an Naturgewalten erinnernde Dramatik und andererseits die tänzerische Leichtigkeit dieses Stückes meisterte. In der Einleitung, dem Thema, dem ersten und zweiten Zwischenspiel und dem Finale des »Hexameron« konnte er geniale Virtuosität im vollen Umfang unter Beweis stellen.
Eine zweite Vorstellung des »Hexameron« ist am Samstag, 12. November, zu erleben.

Artikel vom 05.11.2005