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Ausbeulen, polieren und anblasen

Landessieger Tobias Erichlandwehr (24) aus Verl  fertigt in Bethel Metallblasinstrumente

Von Sabine Schulze
und Manfred Köhler
Verl/Bielefeld (WB). . Im Musikverein Verl spielt Tobias Erichlandwehr die Tuba. Landessieger im Leistungswettbewerb der jungen Handwerksgesellen wurde er aber mit einem Kuhlo-Flügelhorn. Denn der 24-Jährige Verler ist Metallblasinstrumentenmacher. Erlernt hat er seinen Beruf in der Posaunenwerkstatt der Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld-Bethel.

Nach seiner Ausbildung zum Tischler, erzählt Tobias Erichlandwehr, habe er als Zivildienstleistender bei der Posaunenmission in Bethel gearbeitet. Als er dort seine Zehn-Kilo-Tuba zur Reparatur in die Werkstatt brachte, lernte er den Betrieb von innen kennen und fand Geschmack an seinem nun schon zweiten Handwerksberuf, der eher eine Rarität ist. »In der Berufsschule in Ludwigsburg, wo im Block unterrichtet wurde, waren wir aus ganz Deutschland 15 Azubis«, schmunzelt er.
Zur Tuba hat der junge Mann aus der Ölbachgemeinde schon auf der Marienschule gefunden. »Damals stellte der Musikverein in der Schule Instrumente vor, um uns fürs Musizieren zu begeistern«, erinnert sich Tobias Erichlandwehr. Er habe die Tuba gesehen und sei von dem Instrument sofort fasziniert gewesen. »Es war größer als ich«, erzählt er und lacht. Den Kommentar »da kriegst du sowieso keinen Ton raus« ignorierte Tobias, blies hinein und brachte die Tuba zum erklingen. Tobias war begeistert und die Abordnung vom Musikverein war beeindruckt.
Drei Wochen später hatte Tobias Erichlandwehr eine Tuba des Vereins zu Hause und war Mitglied. Eine Ausbildung bei der Kreismusikschule Gütersloh und regelmäßige Proben beim Musikverein gehörten von da an zu seinem Alltag. Und natürlich Auftritte. Und da ist ein Tubist ganz besonders in der Pflicht, wie er betont. »Tubisten sind rar und sollte nach Möglichkeit nicht fehlen. So kann sich der Musikverein mit ihm auf zwei Mitglieder stützen. Und die würden für ein Orchester auch beide gebraucht, sagt Tobias Erichlandwehr. Dass er mal Musikinstrumentbauer werden würde, daran hat er damals nicht gedacht, auch nicht, als er seine Mittlere Reife an der Verler Realschule in der Tasche hatte und die Berufsfrage anstand.
Erst als der gelernte Tischler als Zivildienstleistender in den Bodelschwinghschen Anstalten die Posaunenwerkstatt kennen lernte, fand er seinen Idealberuf und machte eine zweite Lehre. »Perfekt«, freut er sich, »ich habe das Glück, Hobby und Beruf miteinander verbinden zu können«.
Von der Trompete über Flügelhorn und Posaune bis hin zur Tuba kann Tobias Erichlandwehr alles in bester Handwerksarbeit herstellen, und ebenso führt er in der Betheler Werkstatt Reparaturen durch: ob Ventile neu justiert werden müssen, ob ausgebeult, poliert, entfettet und lackiert oder der Zug ausgetauscht wird. »Bis zu zehn Instrumente fertigen wir im Jahr, 600 bis 700 Metallblasinstrumente reparieren wir«, erzählt Horst Breitkreuz, der Erichlandwehr ausgebildet hat. Und da die Werkstatt an der Handwerkerstraße zugleich ein Ladenlokal ist, können Musiker dort auch das nötige Zubehör kaufen - vom Koffer bis zum Mundstück.
Die Kunden kommen aus weitem Umkreis, nehmen zum Teil Hunderte von Kilometern auf sich. Denn der Kauf und die Wartung eines Musikinstrumentes ist Vertrauenssache. Zudem ist die Betheler Werkstatt in weitem Umkreis ohne Konkurrenz. Dass sie hervorgegangen ist aus der Schlosserei wird deutlich, wenn man die Räume betritt: Ähnliche Maschinen wie hier gibt es in vielen Metallbetrieben. Wenn da nicht noch in Regalen Ausbeulkugeln oder -punzen und Schallstückformen aufgereiht wären, wenn an den Wänden nicht mehr oder weniger glänzende, mehr oder weniger verbeulte Instrumente hängen würden, von denen einige auf die Reparatur warten. »Der größte Teil unserer Arbeit ist nach wie vor Handarbeit«, betont Tobias Erichlandwehr und nimmt ein Baritonhorn zur Hand, dessen Ventile nicht auf der richtigen Position stehen.
Egal, was bei einem Instrument, das der Werkstatt anvertraut wird, getan werden muss: Nach der Fertigstellung wird »angeblasen«. »Dann spielen wir die Tonleiter 'rauf und 'runter, um zu hören, ob die Tonlage richtig steht und komplett richtig anspricht«, erklärt Breitkreuz, der selbst Trompete spielt.
Landessieger Erichlandwehr - der am 12. November am Bundeswettbewerb teilnehmen wird - bleibt der Betheler Werkstatt (zu der als Dritter im Bunde Wolfgang Marschall gehört) erhalten. Im kommenden Jahr, so Betriebsleiter Peter Synowski, soll ein weiterer Azubi hinzukommen. Denn die Posaunenwerkstatt, ein »nettes, von den wenigsten erwartetes Anhängsel« der Gebäudetechnik Bethel, soll noch ein wenig ausgeweitet werden.
Und Tobias Erichlandwehr träumt schon von einem weiteren Ziel: »Ich kann mir gut vorstellen, mal meine Meisterprüfung zu machen«, sagt er. Und das Meisterstück? Keine Frage: »Ich würde gerne eine Tuba bauen.«

Artikel vom 04.11.2005