09.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Da wird um jeden Euro gefeilscht«

Hoher Kostendruck im Bestattungsgewerbe

Lübbecke (HoG). Die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland steigt ständig. Wurden um 1930 geborene Männer nach der Statistik durchschnittlich 60 Jahre alt, die Frauen 63, so haben um 1980 geborene Männer in Deutschland eine Lebenserwartung von 70 Jahren, Frauen gar von 77 Jahren.

Nicht nur die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger jammern über angesichts dieser Tatsache ständig steigende Ausgaben, auch das Bestattungswesen, eine Branche, um die es überlicherweise eher etwas still ist, bekommt diesen Trend deutlich zu spüren. So meldet der Verband der Deutschen Zulieferindustrie für das Bestattungsgewerbe, in dem der Lübbecker Unternehmer Thomas Nunnenkamp den stellvertretenden Vorsitz führt, dass sie Zahl der Verstorbenen in Deutschland tendenziell rückläufig sei, und zwar um mehr als zehn Prozent in den vergangenen 15 Jahren.
Diesen Trend bestätigt auch Sebastian Grewe aus Stemwede, einer der ersten Ausbildenden im Bestattungsgewerbe in Deutschland (die LK berichtete in ihrer Ausgabe vom 29./30. Oktober). Seine Eltern betreiben Bestattungsunternehmen in Stemwede und Alswede. Und auch der Kostendruck ist immens. Kein Wunder, dass inzwischen auch Särge aus osteuropäischer Fertigung den deutschen Markt beherrschen. Bis Anfang der 90er Jahre hatten hier noch Särge aus deutscher Fertigung dominiert, doch inzwischen kann sich die höherwertige Qualität der Produkte aus deutscher Fertigung häufig nicht gegen die Preisvorteile der Importware durchsetzen.
Ohnehin weht auf dem Zuliefersektor ein scharfer Wind, weiß auch Ernst Grote vom gleichnamigen Bestattungsunternehmen in Gehlenbeck. »Da wird bei den Zulieferern um jeden Euro gefeilscht«. Auch gehe der Trend dahin, dass die Verstorbenen nicht mehr im Leichenhemd aufgebahrt würden, sondern in ihrer eigenen Kleidung.
Besser als der allgemeine Trend behauptet sich die am Heuweg in Lübbecke ansässige Firma Nunnenkamp, die mit etwa 20 Mitarbeitern Bestattungswäsche für den deutschen Markt herstellt. Überwiegend im norddeutschen Raum setzt Thomas Nunnenkamp die Produkte seines Unternehmens ab. Der 40-Jährige, der heute das im Jahre 1958 gegründete Unternehmen seiner Eltern führt, setzt auf Flexibilität in der Produktion. »Die Individualität des Einzelnen steht heute im Vordergrund, warum nicht auch beim letzten Gang«, fragt Nunnenkamp. Jeder sollte sich frühzeitig mit dem Thema Tod auseinandersetzen und sich umfassend informieren. Im Fall der Fälle sei der Kopf nicht immer frei für diese Dinge. Da würden schnell Entscheidungen getroffen, die dem Verstorbenen nicht gerecht würden und nachträglich nicht zu ändern seien.
Bei »Billig« bleibe notwendigerweise die Qualität in allen Belangen auf der Strecke, auch im Bestattungswesen, vermeintliche Billigbestattungen würden in der Regel teurer, als angepriesen, weiß Thomas Nunnenkamp aus Gesprächen mit seinen Geschäftspartnern. Häufig könnten Menschen im Moment der Trauer die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht ermessen, »und berauben sich der Abschiednahme vom Verstorbenen und dem sehr wichtigen Prozess der Trauerbewältigung«. Eine vom Bestatter ermöglichte würdige Abschiednahme vom Verstorbenen hält Nunnenkamp für den wichtigsten Beitrag zur Trauerbewältigung.
Neben der Möglichkeit, sich schnell auf die Wünsche seiner Kundschaft einzustellen, sieht Thomas Nunnenkamp die langjährigen und guten Beziehungen zu den Kunden, ausschließlich Bestatter, als einen wichtigen Pluspunkt an. Ein erst kürzlich durchgeführte Umfrage unter allen Kunden habe die hohe Zufriedenheit mit dem Lübbecker Unternehmen betätigt. Verbesserungsvorschläge würden derzeit umgesetzt.
In der Produktion kommen mehrere computergesteuerte Langarmsteppmaschinen, eine Vielnadelmaschine, ein automatischer Legewagen zahlreiche Nähmaschinen mit Spezialum- und -anbauten sowie drei Automaten zur Besatzfertigung zum Einsatz. Verarbeitet wird alles Textile im Zusammenhang mit Bestattung. Das heimische Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als Trendsetter in der Branche hervorgetan, So gehören Garnituren mit farbigen Litzen oder gecrashtem Einfassband als Besatz ebenso zum Angebot, wie hochwertige Oberstoffe (Wildseide).
So wurde bei Nunnenkamp in Lübbecke ein Handelsprogramm entwickelt, das den Bedürfnissen des in vielen Jahrzehnten gewachsenen Kundenstamms entspricht, sich gleichzeitig aber durch seine innovativen Seiten einer neuen Kundschaft öffnen. »Der Kunde steht täglich im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns«, ist die Devise von Thomas Nunnenkamp. »Wir sind bekannt dafür, dass wir auch kleinste Nischen bedienen können», erklärt er die Philosophie des Familienutnernehmens.

Artikel vom 09.11.2005