03.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kommentar

Edmund Stoiber wundersam:
Flurschaden der speziellen Art


Von Rolf Dressler
Plakat-Papier ist ungemein geduldig. Vielleicht - wer weiß? - bleibt uns abermalige Mammut-Wahlwerbung vorerst noch erspart, vielleicht aber auch nicht.
Derweil versucht eine sonderbar deutsch-typische und Millionen Euro teure Kampagne in eigener Sache Land und Leute »anzumachen«, aufzumuntern, aufzuheitern mit Riesenplakat-Sprüchen wie »Du bist Beate Uhse. Du bist Deutschland« oder »Du bist Helmut Newton. Du bist Deutschland«.
Spätestens seit den jüngsten Serien-Krachern im Berliner Regierungs- und Parteiengebälk kommt Bayerns bislang fast unumschränkter Regent, der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Regional-Union, für die Mitwirkung in gerade dieser Plakat-Aktion mit Sicherheit nicht mehr in Betracht. »Du bist Edmund Stoiber. Du bist Deutschland«? Das wäre wahrscheinlich die Flop-Nummer des Jahres.
Man braucht kein ausgefeiltes Psychogramm zu bemühen. Denn Stoibers halsbrecherische Handlungen und Nichthandlungen in immer kürzerer Zickzack-Folge waren atemberaubend. Ein derart eigensüchtiges Taktieren wäre schon jedes nachrangigen Politikers unwürdig, dass aber eine Führungspersönlichkeit vom Zuschnitt Stoibers sich so etwas zu Lasten des Ganzen her- ausnimmt, muss auch Wohlmeinende tief enttäuschen. Glaubwürdigkeit? Verlässlichkeit? Wie und wem wollen Politiker diese bitter notwendigen Tugenden vermitteln, wenn sie selbst so damit umspringen?
Gleich mehrfach hatte sich Edmund Stoiber dem Publikum als entschlussfreudiger künftiger Wirtschaftsminister einer großen Koalition angedient. Das Werk des großen Vorgängers Ludwig Erhard wolle er fortführen, um das Land endlich wie in Schwung zu bringen. Doch diese Beteuerung war, wie wir heute wissen, offenbar ebenso nur Potemkin/Stoibersche Fassade wie das süßsaure Einvernehmen mit der Alt-Rivalin und möglichen künftigen Bundeskanzlerin Angela Merkel, tatsächlich wohl vornehmlich inszeniert für die Berliner Polit-Fernsehbühne.
Und im Weggehen benennt oder bestimmt (?) Bayerns Berlin-Heimkehrer im Alleingang nun kurzerhand auch noch Michel Glos, den CSU-Landesgruppen-Chef im Bundestag, dazu, an seiner, Stoibers Stelle das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen. Ausgerechnet jenen Partei»freund« also, den Edmund Stoiber noch unlängst in aller Öffentlichkeit mächtig vors Schienbein getreten hatte, als er ihm das Amt des Verteidigungsministers und mithin einen Sitz im künftigen Kabinett versagte und stattdessen sehr plötzlich Horst Seehofer das Landwirtschaftsressort zuschanzte.
Jetzt also darf nur noch darüber philosophiert werden, wem Stoiber den (noch) größeren Flurschaden zugefügt hat: unserem Land, den Unionsparteien oder der ohnehin schwer ringenden Angela Merkel.
Ob an Isar oder Spree: Die Dinge sind im Fluss - stärker denn je.

Artikel vom 03.11.2005