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Perfektion
und große
Leidenschaft

Konzert »Verler Herbst«

Von Malte Samtenschnieder
Verl-Kaunitz (WB). »Lassen Sie Ihren Gefühlen freien Lauf.« Fast schien es, als habe Dirigent Knut Peters dem Orchester »Verler Vier Jahreszeiten« am Sonntagabend vor seinem 35. Konzert in der vollbesetzten Kaunitzer St. Marienkirche diesen Spielauftrag an die Hand gegeben.

Denn die 60 Musiker - allen voran Solist Carlos Johnson (Violine) - gestalteten den Abend zwischen »Romantik und Romanze« hoch emotional und leidenschaftlich. Durch seine Werkauswahl hatte Knut Peters den Kurs für das Konzert klar abgesteckt. Nicht nur in punkto »Technik«, auch im Bereich »Ausdruck« stellte der Perfektionist bei den angesetzten Werken von Mendelssohn-Bartholdy und Beethoven höchste Ansprüche an sein hervorragendes Orchester.
Eine erste Kostprobe ihres Könnens kredenzten die Instrumentalisten bei Beethovens Egmont-Ouvertüre. Auf einem satten Klang-Meer entfesselten sie einen turbulenten Orkan, dessen berauschende »sinfonische Brandung« immer wieder wild aufschäumte und die 500 Zuhörer bereits nach nur wenigen Takten vollends in ihren Bann zog. Was für ein Klangkörper! Was für eine Energie! Voller Respekt und Anerkennung würdigte das Publikum diesen ersten »Leckerbissen« mit lang anhaltendem Beifall.
Ganz im Zeichen des Carlos Johnson stand das folgende Violinkonzert e-moll, op. 64, von Mendelssohn-Bartholdy. Einmal aufgefangen, dann wieder vorangetrieben vom sensibel agierenden Orchester, gestaltete der gebürtige Peruaner seinen anspruchsvollen Violin-Solo-Part virtuos-raffiniert. Klänge mit dem ganzen Körper formend, bei rasanten Kadenzen in die Läufe herein schwingend und im wahrsten Sinne des Wortes heraus springend, wirbelte sich der Interpret artistisch bis ins höchste Flageolett, ließ sein Instrument markant aufheulen, um es bald darauf sanft-säuselnd im Pianissimo verklingen zu lassen.
Ohne emotionalen Pomp starteten Solist und Orchester mit Beethovens Romanze F-Dur, op. 50, in die zweite Konzerthälfte. Mit großem Ton, aber dennoch wohl dosiertem Pathos gestaltete Carlos Johnson das Adagio cantabile als traumhaft-anrührenden Hörgenuss.
Lebhaft-verspielt kam danach die märchenhafte Melusine-Ouvertüre von Mendelssohn-Bartholdy daher, bevor das Orchester zum krönenden Abschluss die Beethoven-Symphonie Nr. 1 C-Dur, op. 21, musizierte. Bei diesem vortrefflich dargebotenen »Klassikstandard« stellte das überwiegend mit Musikstudenten besetzte Vier-Jahreszeiten-Orchester erneut seine überwältigende künstlerische Reife unter Beweis, die es nicht zuletzt seinem charismatischen Dirigenten verdankt.
Mit Blumensträußen für Carlos Johnson und Knut Peters, Dankesworten vom Fördervereins-Vorsitzenden Manfred Ost, tosendem Beifall und stehenden Ovationen des Publikums sowie einer Zugabe des Orchesters ging das Konzert nach zwei Stunden zu Ende. Eine schönere Bestätigung für seine Arbeit hätte sich Knut Peters nicht wünschen können, als er, vom Dirigieren sichtlich erschöpft, den Schlussapplaus in Empfang nahm. Denn nur mit Unterstützung des Publikums sind seine Großprojekte möglich.

Artikel vom 01.11.2005