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Ahnenforschung: Eine Spur
führt immer zu Onkel Fritz

Amerika-Netz bringt Forscher- weltweit zusammen

Von Reinhard Kehmeier
(Text und Foto)
Rahden/Stemwede (WB). Niemals war Ahnenforschung leichter als heute: Hunderte von Internet-Seiten bündelt das von dem Löhner Journalisten Friedel Schütte (71) ins Leben gerufene und von ihm als Koordinator betreute www.amerikanetz.de bereits im Internet. Private und professionelle Forscher stellen ihr Wissen ins Netz. Unzählige Veröffentlichungen sind jedem schnell zugänglich geworden.

Onkel Fritz, so wollen wir ihn nennen, trieb einst wie so viele andere in jungen Jahren die wirtschaftliche Not davon, die Angst vor Militär und Verfolgung. Wenn trotz der heimlichen Flucht westwärts seine Spuren nicht versandet sind und Angehörige sich heute an seinen Lebenweg erinnern, ist das unermüdlichen Forschern zu danken.
Spezialisten haben Schiffslisten durchforstet, den seit 1860 in den USA alle zehn Jahre erhobenen Census. Andere haben die Mundart-Inseln auf dem nordamerikanischen Kontinent in den Blick genommen, so wie Friedel Schütte auf seinen 34 Reisen. Die Flut der hernach entstandenen Dokumente ist jetzt in der landesgeschichtlichen Bibliothek Bielefeld zugänglich, einer öffentlichen Einrichtung, die auch dem allgemeinen Fernleih-System der deutschen Bibliotheken angeschlossen ist.
Das Kommunalarchiv Herford ist zentrale Verwahrstelle für mehr als 50 CDs mit etwa 6,3 Millionen Namen deutscher Einwanderer in den USA. Professor Dr. Walter Kamphhoefner von der Texas A&N-University in Austin hat die aktuellen Daten kostenlos zur Verfügung gestellt. Das junge Netz profitiert bereits von mehreren amerikanischen Forscher-Generationen.
Mehr als 10000 Anfragen aus aller Welt erreichten das 40-köpfige Netzwerk bislang. Und: »Drei Viertel aller Anliegen konnten anhand von Daten aus den Kommunalarchiven und privaten Mitgliederdateien in erfreulich kurzer Zeit beantwortet werden«, berichtet Schütte. Aus Israel, Brasilien und Kanada melden sich Ratsuchende ebenso wie aus England, vornehmlich jedoch aus Deutschland (66 Prozent) und den USA (18 Prozent). Unter den bekannt gewordenen spannenden Geschichten befinden sich außergewöhnliche Lebensläufe, wie Pioniere der Erforschung des Weltalls aus Westfalen oder Politiker, die Präsidenten ins Weiße Haus halfen. In jedem Fall sind es »Heroes«, die sich unter unsäglichen Strapazen auf den Weg in die neue Welt gemacht haben. Auch wenn »Scouts«, zumeist Pastoren, vorausgereist waren, um als »Pacemaker« Nachfolgenden die Wege ein wenig zu ebnen und Gefahren zu reduzieren. Friedel Schütte ist auf diesem Sektor ein Spzezialist in dem Forscher-Netzwerk.
In Westfalen, Lippe und im angrenzenden Niedersachen wird seit Jahrzehnten intensiv nach Ursachen und Folgen der Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts gefahndet.
Schütte setzte sich bei einer privaten Wochenend-Tagung mit Hobby-Forschern, aber auch erfahrenen Archivaren, promovierten und habilitierten Fachwissenschaftlern sowie Repräsentanten deutsch-amerikanischer Städtepartnerschaften in Herford zusammen. Nach amerikanischem Vorbild entstand eine »Nonprofit-Vereinigung«. Die ehrenamtlichen Kräfte vereinen Hobby und Beruf. Die dritte Mitgliederversammlung findet im Frühjahr in Osnabrück statt, um die Arbeitsteilung zu überprüfen und neu festzulegen.
Der Freizeit-Webmaster des Netzwerks ist Studiendirektor Frithjof Meißner aus Verl im Kreis Gütersloh. Er sorgt mit Unterstützung seines Sohnes Jochen sowie dessen Freund Christian Wemhoff für die wichtige Pflege und Aktualisierung der Homepage. Die Mitglieder des Netzwerkes haben neuerdings die Möglichkeit, vom eigenen PC ihren Teil der gemeinsamen Homepage von sich aus und in eigener Verantwortung zu ergänzen. Heimatforscher aus Rahden und Stemwede gehören ebenso dazu, wie emeritierte Professoren oder junge Doktoranden, wie Alexandra Jacob aus Bünde, die über Plattdeutsch in der Prärie schrieb.
Der global tätige Freundeskreis ohne Satzung, Vorstand und Mitgliedsbeitrag nimmt gern weitere Interessenten auf, die sich nicht mit Bürokratie belasten, aber auf unkonventionelle Weise Hilfe leisten möchten. Wer trotz der Informationsflut bei seiner Internetrecherche nicht fündig wird, kann sich an den auf der Website genannten Koordinator Friedel Schütte wenden. Er hat manch hoffnungslosen Fall aufgeklärt.
Jüngstes Projekt der Forscher sind die plattdeutschen Inseln in Brasilien. Hier wird ein portugiesisch sprechender Vermittler gesucht. Dr. Monika Minninger aus Bielefeld erreichte die Anfrage nach einem Netzwerk, das sich mit Russlanddeutschen des 19. Jahrhunderts befasst. Die Forschungsnetze dürften weiter zusammenwachsen. Das machen die weltweiten Anfragen von Australien bis Argentinien deutlich.

Artikel vom 01.11.2005