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»Umdenken in der Steuerpolitik«

Offener Brief an den NRW-Arbeitsminister Karl Josef Laumann

Rahden (WB). Mit einem offenen Brief wendet sich Wilhelm Schröder aus Rahden, stellvertretender Bezirksvorsitzender der CDA-Ostwestfalen-Lippe und Mitglied im Landesvorstand NRW, an den Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Josef Laumann (CDU) und an den Europaabgeordneten Elmar Brok. Schröder in seinem Schreiben:

»Zunächst möchte ich unserem CDA Bundesvorsitzenden Karl Josef Laumann ausdrücklich danken für seine offene Kritik, dass die CDU aufpassen müsse, wenn sie Volkspartei bleiben wolle. Das Wahlergebnis hat die schonungslose Wahrheit ans Tageslicht gebracht; die Linkspartei ist ein weiterer Beleg dafür. Darüberhinaus ist festzustellen, dass von fast allen Wirtschaftsprofessoren kaum einer noch weiß, was soziale Marktwirtschaft heißt. Ich habe mehrere BWL-Studenten befragt und kein einziger konnte diese Frage beantworten. Der Manager eines bekannten Autoherstellers wurde kürzlich gefragt, was soziale Marktwirtschaft sei und wie sie funktioniert hätte. Seine Antwort war, er wisse es nicht so genau! Wenn unsere Elite von sozialer Marktwirtschaft spricht, aber selbst nicht weiß, wie sie funktioniert hat, ist es Zeit, Alarm zu schlagen.
Die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards basierte auf den Säulen Subsidiarität, Subventionen und Solidarität. Subsidarität heißt: Die übergeordnete Gemeinschaft leistet nur das, was die untergeordnete Gemeinschaft nicht leisten kann. Sie ist gewissermaßen eine Anschubhilfe. Wo leistet die obere Gemeinschaft heute diesen Beitrag? Bei den Steuern? Ein Facharbeiter bei Bayer-Leverkusen zahlt mehr Steuern als das Unternehmen.
Die Subventionen der sozialen Marktwirtschaft waren den »kleinen Leuten« zu helfen, Häuser zu bauen und Existenzen zu gründen. Die »kleinen Leute« waren die Auftraggeber für den unteren Mittelstand. Die jetzige Politik mit der Ich-AG ist die moderne Form der Schwarzarbeit, weil zum Beispiel nicht ehrlich abgerechnet wird. Die Pleiten im Handwerk sind der Beweis: Hier muss sofort gehandelt werden. An den Universitäten müssen Studiengänge eingerichtet werden, die sich damit beschäftigen, wie man Arbeit schafft. Studiengänge, die sich mit der Erfolgsstory eines Dieter Bohlen beschäftigen, sind wenig hilfreich. Eine Steuerreform nach Prof. Kirchhoff, wonach alle Bürger mit 25 Prozent »belastet« worden wären, hätte die soziale Marktwirtschaft mit dem Subsidiaritätsprinzip total demontiert. Deshalb bitte ich mal durchrechnen zu lassen, ob die alte Lohntabelle vor Stoltenberg mit dem langen und dann bei höherem Einkommen langsam ansteigenden bis progessiv ansteigenden Steueratz nicht sinnvoller wäre als das angedachte Modell der CDU. Wenn schon Friedrich Merz feststellte, dass ein Facharbeiter den Spitzensteuersatz zahlt, ist im System etwas falsch.
Die Arbeitnehmer sind zu Stoltenbergs Zeiten durch die lineare Steuererhebung nicht fair behandelt worden. Sonst müssten jetzt nicht 46 Prozent der Gesamtbevölkerung mit monatlich 900 Euro auskommen. Die Absenkung des Spitzensteuersatzes durch Rot-Grün hat keine Arbeitsplätze geschaffen, die Wiedereinführung der Erhard'schen Steuersätze wäre deshalb sinnvoll.«

Artikel vom 01.11.2005