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Enja Riegel präsentierte Konzepte für die Schule

Kinder dürften nicht mehr sitzenbleiben

Warburg (hm). »Schule kann gelingen - Schule muss sich entwickeln«. So lautete das Thema einer Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Donnerstagabend im Foyer des Warburger Schulzentrums. Referentin war die ehemalige Schulleiterin der Helene-Lange-Schule (HLS) in Wiesbaden, Enja Riegel.

Mit neuen Methoden, Kreativität und Disziplin hat sie ein ungewöhnliches Modell für die Schule von morgen verwirklicht. Ihre Schüler schnitten beim Pisa-Test hervorragend ab.
150 Lehrer, Eltern und Schüler waren gekommen, um die langjährigen Erfahrungen der Pädagogin zu hören. Am konkreten Beispiel verdeutlichte die Referentin, wie in einer Schule mit Freude und Effektivität gelernt werden kann.
Zur Frage, wie man eine Schule verändern könne, sagte Enja Riegel: »Ich habe an meiner Schule aus dem Gymnasium der Sekundarstufe I eine integrierte Gesamtschule gemacht.«. Schon dies habe Zeit benötigt, nicht zuletzt deshalb, weil das Kollegium von seiner neuen Leiterin keineswegs begeistert gewesen sei, sagte die Sprecherin. Später sei es ihr gelungen, das Kollegium von ihrer Vision zu überzeugen. Zunächst habe die HLS baulich stark verändert werden müssen: »Jede Klasse muss dauerhaft einen eigenen Raum haben, für den sie aber auch verantwortlich ist. So bekommen sie auch ein ganz anderes Verhältnis zur Sauberkeit.«
In ihrer Schule gab es kein Sitzenbleiben, denn »das ist unmenschlich, zwecklos und teuer, ein Machtmittel, mit dem Menschen gedemütigt, vielleicht sogar fürs Leben gebrochen werden.«
Die Klassen würden durch Teams unterrichtet. Die Lehrer würden ihre Schüler so besser kennen lernen. Jedem Schüler werde so bewusst »Ich kann was, ich bin zu etwas nütze.«
Es habe sich an ihrer Schule ein Wechsel vom Fachlehrer zum Erzieher vollzogen: »Wir unterrichten nicht Fächer, sondern Schüler.«
Hohen Stellenwert hätte die in jedem Halbjahr sechs- bis achtwöchige Projektphase, in der Schüler fächerübergreifend und mit vollem Einsatz Themen erarbeiteten, die am Ende der Öffentlichkeit vor einem großen Publikum präsentiert würden. Riegel: »Hier eignen sich die Schüler Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhaltensformen an, die sie das ganze Leben begleiten werden.«
In der Intensität dieser Erfahrungen sieht die ehemalige Schulleiterin auch einen Grund dafür, dass die HLS bei Pisa so gut abgeschnitten hat: »Natürlich lag das auch daran, dass Pisa eben viel stärker darauf aus war, statt vorübergehend auswendig Gelerntem anwendungsbezogenes Wissen abzufragen.«
Zu den vielen positiven Entwicklungen trage besonders das Theaterspielen bei, dem in der HLS viel Zeit gewidmet werde, sagte die ehemalige Direktorin. Die Aufführungen machten die Kinder selbstbewusst, weil sie eine wichtige Bewährung erlebten. Dieses Erlebnis sei durch nichts zu ersetzen. Das Geld, das sich die Schüler durch ihre Putzarbeiten selbst verdienten, weil die Kosten eines Putzdienstes so eingespart werden könnten, werde in das Engagement professioneller Theaterkräfte investiert.
Das Geheimnis ihrer alten Schule sei, dass die Lehrer mit Freude arbeiteten, sie ein Vertrauensverhältnis aufbauten und selber noch dazulernten. »Sie übernehmen wirklich Verantwortung für ihre Schüler.«
Die Mädchen und Jungen seien am Lernen interessiert und machten sich das Gelernte zu eigen.
Mehr über dieses Thesen gibt es im Buch von Enja Riegel »Schule kann gelingen! Wie unsere Kinder wirklich fürs Leben lernen« im Fischer-Verlag.

Artikel vom 29.10.2005