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Von Rüdiger Kache

Paderborner
Perspektiven

Theaterbau: nächster Akt


Endlich alles klar, Herr Kommissar? Dann kann's ja losgehen mit den Paderborner Kammerspielen. Genau ein Jahr hatten sich die Vergaberechtshüter der Europäischen Union in Brüssel Zeit gelassen, um zu prüfen. Wurden bei der Planung des neuen Stadttheaters europäische Gesetze und Verordnungen verletzt oder bewusst umgangen, indem die Stadt zwar 21 Millionen Euro investiert - aber auf dem Gelände der Volksbank mit dem Geldinstitut als Bauherr? Ein Schreiben aus Brüssel bringt jetzt etwas mehr Licht ins Dunkel, ohne jedoch alle Fragen zu beantworten.
Allein die Tatsache, dass die Volksbank zu Protokoll gab, jetzt völlig neu zu planen, andere Schwerpunkte auf dem Kötterhagen zu setzen und das Stadttheater quasi als Beigabe zu bauen und an die Stadt zu vermieten, stimmte die EU-Kontrolleure wieder gnädig. Und es war nicht etwa die Stadt oder die Volksbank, die von Brüssel ins Visier genommen wurde: Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen standen am Pranger. Denn: Wenn eine Kommune soviel Geld investiert, dürfen die Aufträge für die Gewerke nicht etwa nach dem Beliebigkeitsprinzip daheim vergeben werden. Es muss europaweit ausgeschrieben werden. Das wollten Stadt und Volksbank erklärtermaßen nicht, zumal die Bank offiziell als Bauherr fungierte und man gemeinsam durch den Bau ein kleines Konjunkturprogramm auflegen wollte - eine edle Verbeugung vor dem heimischen Handwerk, das auf diese Weise (wenn es denn auch Volksbank-Kunde ist) in den Genuss der heiß ersehnten Aufträge kommen sollte.
Der Freien Bürger-Initiative, die im übrigen den Standort Abdinghof und somit ein stadteigenes Grundstück präferiert, legte Beschwerde in Brüssel ein und hätte wohl damit auch Erfolg gehabt, wenn die Volksbank nicht in letzter Minute die Notbremse gezogen und nach einem Kompromiss mit Brüssel gesucht hätte.
Nun hat offiziell die Stadt nichts mehr mit den Kammerspielen zu tun, Bürgermeister Heinz Paus kann sich bequem zurück lehnen und auf ein Angebot von Volksbank-Chef Dr. Ulrich Bittihn für einen Theaterneubau warten. Denn mit dem Brief aus Brüssel müssen sämtliche bereits beschlossenen Klauseln im Vorvertrag zwischen Kommune und Bank gestrichen werden. Brüssel geht sogar davon aus, dass die Volksbank nicht mehr nach den Wünschen der Stadt baut, sondern eigenständig plant.
Das sind in der Tat völlig neue Aspekte, die manchem Kommunalpolitiker einen Schluckauf bescheren dürften. 21 Millionen (jetzt wohl als einmalige Mietzahlung für 50 Jahre, nicht als Investition deklariert) an Steuergeldern ausgeben und am Ende nicht mitbestimmen dürfen? Nun, so schlimm wird es nicht kommen. Wer würde es der Volksbank verübeln, die alten, gemeinsam geschaffenen Pläne, noch einmal in die Hand zu nehmen - und siehe da, die Angebote der Bank decken sich auf wundersame Weise mit dem Wunschzettel der Stadt in punkto Kammerspiele. So sind am Ende wieder alle zufrieden - oder?
Vielleicht rührt sich jetzt etwas mehr Widerstand im Stadtrat und in den Ausschüssen, die alle Vereinbarungen jetzt noch einmal diskutieren und beschließen müssen. Vielleicht gibt es ein paar Stadtverordnete oder Kreistagsabgeordnete mehr, die dem Hickhack um Standort und Vergaberichtlinien ein Ende bereiten wollen, indem sie den Abdinghof wieder in den Fokus rücken. Das wäre eine ideale Basis, um die alte Stadtverwaltung doch noch an die Florianstraße umzusiedeln. Und da die Volksbank gegenüber Brüssel erklärt hat, man könne sich durchaus auch den Bau eines Stadthotels anstelle der Kammerspiele vorstellen, ließen sich vielleicht sogar mehrere Wünsche auf einmal realisieren.
Die Debatte in der Politik steht noch aus. Der Kulturausschuss wurde am Mittwoch jedenfalls kurzfristig abgesagt. Sauer sind einige Ratsmitglieder auch auf den Bürgermeister, der ihrer Meinung nach in der Ratssitzung vergangene Woche schon Details des Schreibens aus Brüssel wusste, aber dem Aufsichtsgremium keinen reinen Wein einschenkte. Das dürfte die Phantasie der Fraktionen in Richtung Abdinghof noch einmal zusätzlich beflügeln.
Und wer hat jetzt eigentlich gewonnen beim monatelangen Tauziehen der übermächtigen EU mit der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Nordrhein-Westfalen wegen der der 20-Millionen-Investition in die Paderborner Kammerspiele? Die Stadt, die Freie Bürger-Initiative oder die Bank? Vielleicht auch die um Gerechtigkeit bemühte EU? Eigentlich niemand, denn die bisher ausgegebenen Mittel für Pläne, Verträge und diverse Kleinigkeiten - auch die enorme Zeitverzögerung - müssen wir alle tragen, ob als Steuerzahler oder als Volksbank-Kunden.
Deshalb sollte man sich sehr genau überlegen, wie und vor allem wo es weiter geht mit dem Bau der Kammerspiele. Damit wir die Kammerspiele am Ende nicht erster Klasse beerdigen. Denn die Kündigung der Stadt zum Jahresende 2006 für die jetzigen Räumen der Volksbank ist nach wie vor wirksam. Und die Bank dürfte wenig Interesse verspüren, hier nachzubessern, wenn das Theater doch woanders gebaut wird. Auch gilt sicher das Prinzip des Vertrauens, des Händedruckes zwischen zwei Verhandlungspartnern. Und der gilt dem Kötterhagen.
Nur muss jetzt alles ganz genau nach den geltenden EU-Richtlinien geplant werden. Da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man habe nur der Optik wegen ein Kompromisspaket geschnürt und man werde doch so weiter planen wie bisher: die Stadt bestellt und zahlt, die Volksbank setzt um. Ein bisschen mehr Respekt und Verschwiegenheit in Richtung Brüssel wären da angebracht. Alles klar, Herr Kommissar?

Artikel vom 29.10.2005