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»Mit mir kann man Pferde stehlen«

Der ehrgeizige Spielertrainer traut auch dem TV Verl einen Aufstieg wie Augustdorf zu

Von Uwe Caspar
(Text und Fotos)
Verl (WB). Als Jens (»Howie«) Freier 1999 vom HC 93 Bad Salzuflen zur HSG Augustdorf/Hövelhof wechselte, war's zunächst ein sportlicher Abstieg - von der Regional- in die Verbandsliga. Doch innerhalb von drei Jahren schaffte der bald 38-Jährige mit Augustdorf den großen Sprung in die 2. Bundesliga. Als Spielertrainer des TV Verl fängt Freier erneut in der Verbandsliga an. Führt der erfahrene Handballer auch seine neue Mannschaft »bis vor die Tore der 2. Liga« (TVV-Sponsor Mario Mekus)? Diese und weitere Fragen beantwortet der sympathische Wahl-Lipper im nachfolgenden Interview:

Wäre in Verl Ähnliches machbar wie bei Ihrem Ex-Verein, bei dem Sie im Sommer ausge-stiegen sind?Freier: Warum nicht? Doch dafür müssen wir erst einmal aus unserer Liga herauskommen, was schwer genug sein wird. Denn diese Klasse ist zumindest für mich kompliziert und unberechenbar, weil hier neben vielen jungen Akteuren auch zahlreiche Routiniers zum Einsatz kommen, die früher höher gespielt haben. Und großen Ehrgeiz zeigen beide Generationen: Die Talente wollen sich hier profilieren und die alten Hasen möchten beweisen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören. Von unserer Zielsetzung weichen wir nicht ab: Wir möchten am Ende unter den ersten fünf Teams stehen. Sollten wir sogar Meister werden, hätte ich auch nichts dagegen. Das wäre für mich ein Supereinstieg als Trainer.
Wie kam es zu den Kontakten mit dem TV Verl und wie klappt die Zusammenarbeit mit Ihrem Vorgänger Manfred Meereis?Freier: Über meinen ehemaligen Mannschaftskameraden Norman Kern kam ich mit den Verler Offiziellen im März ins Gespräch. Ich hätte auch noch ein weiteres Jahr in Augustdorf spielen können, wollte aber unbedingt jetzt schon die Trainerlaufbahn einschlagen. Ich denke, dass der TVV ein optimaler Einstieg für mich ist, obwohl ich mir zunächst - wegen der ungeklärten Zukunft von Manni Meereis - etwas blöd vorkam. Aber ich habe ihn dann selber als zweiten Trainer vorgeschlagen, zumal der Manni die Mannschaft schon kannte. Wir beide harmonieren immer besser, tauschen unsere, manchmal auch unterschiedlichen Meinungen aus.
In der vergangenen Saison galt der Team noch als »recht schwierig zu führen«, diese Einschätzung scheint jetzt aber nicht mehr zuzutreffen ...Freier: Von den einstigen Problemen habe ich gehört. Norman wäre sogar gegangen, wenn ich nicht gekommen wäre. Doch ich kann mich nicht beklagen: Die Mannschaft präsentiert sich inzwischen als geschlossenes Kollektiv - niemand genießt Sonderrechte. Das hat auch ein Jacek Jahn kapiert, der nicht mehr herumschnauzt, wenn es für uns mal schlechter läuft. Gerade weil ich ein Kumpeltyp bin, mit dem man Pferde stehlen kann, lege ich großen Wert auf gute Kameradschaft. Deshalb habe ich auch - trotz zwischenzeitlich anderer lukrativer Angebote - so lange für Bad Salzuflen und Augustdorf gespielt. Eine ähnlich lange Periode könnte ich mir ebenso in Verl vorstellen. Wo ich mich wohlfühle, da will ich auch bleiben. Ich liebe es eben harmonisch.
Wann beenden Sie ihre aktive Laufbahn?Freier: Solange ich den Jungs helfen kann, bleibe ich auf dem Parkett, wenngleich die Verbandsliga selbst für mich eine Umstellung bedeutet. Mir persönlich reichen zweimal Training nicht: Ich betreibe fast täglich Radfahren, Laufen oder Krafttraining in meinem Keller. Deshalb bin ich auch in meinem Alter noch so fit. Auf dem Spielfeld bin ich ein Kämpfer - ein Filigran-Handballer war ich noch nie. Trotz meines Einsatzes habe ich noch nie die Rote Karte gekriegt. Einige meiner Trainer meinten, ich müsste viel härter einsteigen. Das jedoch war noch nie mein Ding.
Apropos Training - sind zwei Einheiten nicht zu wenig für eine Truppe, die höhere Ziele anstrebt?Freier: Im Moment geht das noch. Ärgerlich ist jedoch, dass wir einmal die Woche unsere Trainingsstätte für Altherren-Fußballer räumen und mit der Nebenhalle vorlieb nehmen müssen, wo kein optimales Üben möglich ist. Außerdem: Eine so schlechte Vorbereitung wie vor dieser Saison darf es nicht noch einmal geben: Im nächsten Jahr, egal ob Verbands- oder Oberliga, müssen alle anwesend sein. Das mache ich schon jetzt zur Pflicht.
Welchen Alptraum möchten Sie nicht noch einmal erleben?Freier: Mit HC Bad Salzuflen hatten wir uns schon sportlich für die 2. Liga qualifiziert und dem-entsprechend gefeiert. Doch die DHB-Funktionäre ließen uns nicht aufsteigen - erst nach der fünften Gerichtsverhandlung stand das fest. Das war das Schlimmste, was ich während meiner Karriere erlebt habe. Ansonsten kann ich dem Sport alles verdanken - auch meinen beruflichen Aufstieg.
Sie haben in der ehemaligen DDR noch in der höchsten Handball-Liga gespielt...Freier: Ja, für Grubenlampe Zwickau. Mein Monatssalär betrug 1600 Ostmark - das Doppelte, was meine Mutter verdient hat. Und außerdem gab's noch einen Wartburg. Mir ging es saugut dort.

Artikel vom 29.10.2005