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Gebhard Redlin schildert in seinem neuen Buch seine »Heimkehr in ein geteiltes Land«. Gestern stellte der ehemalige NWD-Geschäftsführer es der Öffentlichkeit vor.

Ein Stück lebendiger Geschichte

Gebhard Redlins neues Buch: »Heimkehr in ein geteiltes Land«

Von Ruth Matthes (Text und Foto)
Herford (HK). »Der autobiografische Kreis hat sich nun geschlossen«, sagt Gebhard Redlin zufrieden. Gestern stellte der langjährige Geschäftsführer der Nordwestdeutschen Philharmonie sein neues Buch vor, in dem er seine »Heimkehr in ein geteiltes Land« im Jahre 1949 nach fünf Jahren in russischer Gefangenschaft schildert, als kritischer Zeuge einer Zeit des Umbruchs, gewürzt mit einem Schuss Humor.

Mit dem neuen Buch schließt Redlin die Lücke zwischen seinem vorangegangenen Buch »Betrogene Jugend« und den zuvor erschienenen Bänden »Forte, aber bitte leise«, die seine Zeit bei der Philharmonie schildern.
Sein neues Buch beginnt damit, dass er als 25-Jähriger im Zug sitzt, der ihn nach der Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft am 26. Oktober 1949 zu seinen Eltern nach Greifswald bringt. »Ich habe dem Wiedersehen voller Freude entgegen gezittert«, erzählt er. Während seiner Abwesenheit hatten seine Eltern und seine Schwester manche Katastrophe überstanden. Zweimal wurde ihr Zuhause zerstört, mehrmals mussten sie ein neues Obdach suchen und landeten schließlich in zwei kleinen Zimmern. Außerdem hatte sein Vater als engagiertes Mitglied der methodistischen Gemeinde Schikanen der Kommunisten ertragen müssen.
Wieder bei seiner Familie, verfolgte Redlin weiter seinen Traum, Geiger zu werden und übte so fleißig, dass er schließlich einen Zeigefinger nicht mehr bewegen konnte. Kein Arzt konnte ihm helfen. Er musste die Geige aufgeben und entschied sich stattdessen für die Oboe. In dem Oboisten des Greifswalder Orchesters fand er einen so guten Lehrmeister, dass er nach neun Monaten bereits die Aufnahmeprüfung für das Rostocker Konservatorium bestand.
Redlin schildert sowohl die schönen Konzerterlebnisse dieser Jahre, zum Beispiel bei den Greifswalder Bachwochen, als auch die schwierigen politischen Verhältnisse. »Die Sowjets haben Ostdeutschland regelrecht ausgesaugt«, erklärt er. Von freien Wahlen sei 1950 keine Rede gewesen. »Es war ein System der Rechtsbeugung und Bespitzelung, wie wir als Mitglieder der methodistischen Gemeinde am eigenen Leib erfuhren.« Etwa die Hälfte der Studenten war kirchlich gebunden, und fast alle flohen vor Verhören und Verhaftung in den Westen. Ende August 1953 kehrte auch Redlin dem System den Rücken. Er ging zum Studium nach Berlin, wo die Bedingungen weit besser waren, seine Geldnot hingegen genau so groß. Deshalb arbeitete er als Chorleiter, Alleinunterhalter und Kartenkontrolleur im Olympiastadion, um an Geld zu kommen, ging mit dem Berliner Mozartorchester 1955 auf Englandtournee und machte Kammermusikaufnahmen für den RIAS.
Mit 32 Jahren ergriff er am 3. Juli 1956 auf Anregung eines Berliner Lehrers die Chance, bei der NWD für die Stelle des 2. Oboisten mit Verpflichtung zum Englischhorn vorzuspielen - und er hatte Erfolg. Was folgte, ist in »Forte, aber bitte leise« nachzulesen. Das neue Buch (ISBN 3-00-017305-6, 9,90 Euro) gibt es in den Herforder Buchhandlungen.

Artikel vom 27.10.2005