28.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Faszinierende
Entdeckungen

Camerata Europeana überzeugte Publikum

Beverungen (WB). Es war zweifelsohne eine vitale und impulsreiche Interpretation, die Radaolaw Szulc mit seinen Musikern erarbeitet hatte. Souverän führte der Dirigent die »Camerata Europeana« aus Stuttgart durch den Konzertabend in der Beverunger Stadthalle.

Sein Engagement und seine Beigeisterung für Mozart und Mendelssohn wusste er auch optisch zu vermittelen. Er feuerte seine Instrumentalisten fast verschmitzt spielerisch, ja freundschaftlich zu einer ausgewogenen aber sehr ambitionierten Spielweise auf. Es spricht für Szulcs gestalterische Intellegenz, dass er die vielen AHA-Effekte der »Italienischen Sinfonie«-Sinfonie Nr. 4 A-Dur von Felix Mendelssohn-Bartholdy nicht eitel aufbauschte, sondern gleichsam mit Feuer aber auch sehr dizipliniert realisieren ließ.
Mendelssohn hatte erste Eindrücke zu diesem Werk auf seiner großen Italienreise 1830 gesammelt. Jugendliche Frische und Unternehmenslust beherrschten vor allem den ersten Satz. Da war in dem bekannten Stück noch sehr viel Fazinierendes zu entdecken; ein flüssiges fein phrasiertes Allegro und eine facettenreiche spannende Gestaltung des temporeichen Saltarello-Presto neben dem sanften Andante des Mittelsatzes.
Das Publikum war begeistert vom Wunsch des Dirigenten, jedes Detail hörbar zu machen, ohne es aus dem Kontext zu isolieren. Da scheinen plötzlich ganze Passagen der Partitur auf zu tauchen, die man vielleicht schon hundert mal gehört hat, aber noch nie so plastisch erleben konnte.
Auch in Wolfgang Amadeus Mozarts »Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543« ließ der Dirigent reiche Stimmen und Kontrapunkte ausleuchten, und das Orchester folgte ihm willig. Da behielt zwar das Lächeln seinen Raum, aber vor allem fesselten Mozarts kühne Harmonien, schneidende Dissonanzen und straffe Punktierungen. Sie werden selten so spannungsvoll ins Spiel übertragen.
Zarte melodiöse Phasen standen neben expressiven, doch verloren sich die Musiker dabei nie in einem Rausch der Gefühle. Mozart hätte sicher seine Freude an diesem exellenten Orchester gehabt, dass die komplexen Gedanken des Werkes leuchten und vor allem verständlich werden ließ; drängendes Begehren, latente Resignation und zarte Anzeichen der Verklärung wurden wunderbar ausbalanciert.
Die ungeteilte Zustimmung des Publikums fand auch Mozarts berühmtes »Hornkonzert KV 417«, das wie die beiden anderen Hornkonzerte Mozarts in der »Horn-Tonart« Es-Dur steht. Der Solist Sjön Scott glänzte mit blitzsauberem Spiel und vogelfreier Leichtigkeit in der Melodienführung. Besonders die beseelte Hornkantilene im Mittelteil nuancierte er fein, modellierte Einzeltöne und spielte mit schön zentriertem Ton.
Nach soviel schöner Musik ließen es sich Orchester und Dirigent natürlich nicht nehmen, das Publikum noch mit zwei Zugaben zu beschenken. Nämlich mit Johann Sebastian Bachs berühmter »Air« und dem Finale aus Mozarts A-Dur Sinfonie KV 201. Dagmar Korth

Artikel vom 28.10.2005