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Piwek bringt Schuberts
Winterreise in Rockversion


»Ich werde euch ein Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagtÉ. Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen« schrieb Franz Schubert einst über seine Winterreise.
Rainer Piwek (Schauspieler und Musiker, Thalia Theater Hamburg) hat mit Schuberts Winterreise ein lang gehegtes Projekt verwirklicht. Zusammen mit den Musikern Lothar Müller (Gitarre), Albrecht Huen (Schlagzeug) und einem Pianisten (wechselnde Besetzung) hat er seine ureigenen Vision von Franz Schuberts berühmten Liederzyklus »Die Winterreise« geschaffen. Zu sehen und zu hören ist dies am Samstag, 19. November, 20 Uhr, im Universum.
Er brüllt, schreit, kräht, singt, spricht, flüstert. Und manchmal bewegt er nur noch die Lippen. Dass er nicht besser singen kann, als man von einem Schauspieler erwarten darf, bremst ihn nicht. Aber Piweks Rockversion misst sich auch nicht an Schubert. Sie bewegt sich mit, neben, fern dem Original auf eigensinnige Weise und vermeidet so die Wege, die andere Wandrer gehen. Der persönliche Ausdruck bei »Einsamkeit« zum Beispiel mündet in eine leuchtenden Fläche instrumentaler Improvisationen, über das sich das zuvor nur halb Gesagte noch im Nachhinein entfalten lässt. Und wenn die Band mit Westerngitarre und Harmonika den erstarrten »Fluss« beschwört, kann man schon weich werden. Dass die Liebe das Wandern liebt, erfährt das Publikum in beschwingtem Rhythmus, doch weich gespült wird hier nichts und die »Schmerzen« im nächsten Lied werden geradezu geschreddert.
Mal bleibt von Schubert nur der Text, mal nicht mal der, dann wieder badet Piwek in Harmonien. Die »Letzte Hoffnung« aber ist eine Wummernummer in der Hardrockwerft. So wird der Liederzyklus um die Welt gezerrt, von einem Extrem zum anderen, apart entfremdetÉ und das Schönste ist, man muss Schuberts Winterreise nicht einmal kennen, Piwek macht einfach neugierig auf das Original.

Artikel vom 27.10.2005