22.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Alle juristischen Klippen umschifft

Förderverein freut sich nach Vertragsunterzeichnung über Bleiberecht für Adamjans

Von Meike Oblau
Rietberg (WB). »Jetzt herrscht große Erleichterung: das war der Kompromiss, den wir erreichen konnten.« So schilderte Heinz Toppmöller, Vorsitzender des Fördervereins »Hilfe für Menschen in Not« gestern das, was das WESTFALEN-BLATT am Donnerstag exklusiv vermeldet hatte: Neli Adamjan und ihre Töchter Agnes und Adrine dürfen vorerst in Deutschland bleiben.

Der Förderverein und der Kreis haben einen Vertrag geschlossen, der es der armenischen Familie erlaubt, weiterhin in Rietberg zu bleiben. Dieses Bleiberecht gilt für fünf Jahre, wird jährlich überprüft und ist an Bedingungen geknüpft. Bedingung Nummer eins: Neli Adamjan verpflichtet sich, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Bedingung Nummer zwei: eine juristische Person erklärt sich bereit, alle anfallenden Kosten, für die Neli Adamjan nicht selbst aufkommen kann, zu übernehmen. Ein Rietberger Unternehmer, der nicht genannt werden möchte, hat vertraglich zugesichert, für diese Kosten geradezustehen. Zudem hat der Verein einen Fonds gegründet, um die Familie bei Bedarf unterstützen zu können. »Wir müssen, wenn es denn irgendwann sogar soweit kommt, die Kosten der Abschiebung bezahlen«, sagte Heinz Toppmöller gestern. Die dritte Bedingung vor der Vertragsunterzeichnung: der Kreis ist nicht bereit, bezüglich der Aufenthaltserlaubnis über längere Zeiträume als die jetzt festgelegten fünf Jahre zu diskutieren.
Dem Förderverein sei es gelungen, alle rechtlichen Klippen zu umschiffen, schilderte Andrea Melzer: »Bei den Gesprächen mit der Härtefallkommission wurde sehr deutlich, dass der Kreis nicht bemüht war, den Empfehlungen des Ausschusses zu folgen. Der Umgang mit uns Laien war fragwürdig und ich hatte das Gefühl, der Kreis wollte uns möglichst große Steine in den Weg legen.« Alle juristischen Fragen sind nun aber geklärt. Neli Adamjan kann eine feste Arbeitsstelle als Integrationshelferin an der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung vorweisen, die auch ihre Töchter besuchen. Zudem hat sie zusätzlich einen 400-Euro-Job angenommen.
Um die finanziellen Risiken abzusichern, die möglicherweise durch Krankheit oder andere Umstände entstehen können, ist der Förderverein jetzt dabei, einen Fonds aufzubauen. Mehr als 100 Spender haben dort bereits eingezahlt. Wer spenden möchte, kann dies bei der Sparkasse Rietberg (Bankleitzahl 478 527 60) auf das Konto mit der Nummer 32 00 90 60 tun. Die Einzahlungen in diesen Fonds hatte der Kreis als einzige Sicherheit nicht akzeptieren wollen. »Zum Glück haben wir einen Rietberger Unternehmer gefunden, der für das finanzielle Risiko zusätzlich gerade steht«, so Heinz Toppmöller.
Man wolle nicht in den Kategorien »Gewinner« und »Verlierer« reden, so der ehemalige Rietberger Pfarrgemeinderatsvorsitzende weiter: »Aber die Zeit hat uns allen viel gebracht, wir haben schon etwas gewonnen, wir haben etwas geschafft.« Der nun unterzeichnete Vertrag sei eindeutig, dem Verein sei etwas gelungen, was nicht vorhersehbar gewesen sei. Die jährliche Überprüfung der Aufenthaltserlaubnis habe man so akzeptieren müssen, diese Klausel habe juristische Gründe, insgesamt könne man aber wohl von einem fünfjährigen Bleiberecht der Familie Adamjan sprechen. »Und wenn es denn so sein muss, wie Landrat Svem-Georg Adenauer immer wieder meint, behaupten zu müssen, nämlich dass die Familie Adamjan in fünf Jahren zurück nach Armenien muss, dann haben die beiden Kinder zumindest ihre Schule abgeschlossen und damit auch ihre Entwicklungsphase. Allerdings wäre für mich dann immer noch nicht nachvollziehbar, warum man dann eine Familie abschiebt, wenn man doch so viel in die Entwicklung der Kinder investiert hat.« Am heutigen Samstag jedenfalls treffen sich alle Helfer zu einer kleinen Feierstunde. »Es herrscht eine verhaltene Freude, denn alles in allem war es auch eine bittere Zeit, und ich bin immer noch geschockt, wie hier mit Menschen umgegangen wird«, bilanziert Andrea Melzer. Heinz Toppmöller zeigt Optimismus: »Das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll.«

Artikel vom 22.10.2005