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Warum Liebesmüh
sich lohnen kann

Paartherapeutin über »Mut zur Liebe«

Von Stefan Küppers
Werther (WB). Die Liebe, ach die Liebe. Während im Fernsehen »Der Untergang« läuft, spricht Sabine Hüsener über den »Mut zur Liebe«. Doch für Romantiker ist dieser Vhs-Vortrag im Storck-Haus eher ungeeignet. Denn Liebe, so weiß die Paarberaterin, ist vor allem eines: Arbeit, harte Arbeit.

Die Psychotherapeutin aus Spenge freute sich, dass auch einige Männer dabei waren. »Meist kommen nur Frauen.« Dass die Männer im Laufe des Abends bei ihren Einschätzungen zu dem Thema mit »chaotischer Fülle« immer etwas schlechter wegkamen, fiel ihr nach einer Zwischenfrage auch selbst auf, um dann aber festzustellen: »Es scheint mir in der Tat so, als seien die Frauen die besseren Liebenden, sie sollten Männern etwas beibringen.«
Obwohl sie eingangs vom »Wunder der Liebe« sprach, einem »Wunderwerk, das zu unendlichem Wachstum in der Lage« sei, pflegt die Therapeutin einen nüchternen Blick auf die Liebe. Denn ihrer Erfahrung nach sind nur wenige Paarbeziehungen dauerhaft wirklich glücklich, gerade viele ältere Paare führten ein »schweres Leben«. Und warum? Weil es den meisten Paaren am Handwerkszeug fehle, um mit dieser »hohen Energie« erfolgreich umzugehen. Und so gab Sabine Hüsener den Besuchern einiges Liebes-Rüstzeug mit auf den Weg, für gute und für schlechte Zeiten.
Die Zuhörer lernten über das Paarmodell, bei dem unterschiedliche Lebenspole zugeordnet werden und zwei Menschen ihre Eigen- und Partnerschaftsräume erkunden können. Das grafische Beispiel, das Sabine Hüsener gerade zur Hand hatte, zeigte, wie ein Mann seine Frau weitgehend überdeckt. Die Kunst sei, so die Therapeutin, das Ausbalancieren der Lebenskräfte, das Mitgehen auf die aktuellen Pole des Partners.
Sabine Hüsener skizzierte die »Reise« eines Paares anhand von fünf Phasen. In der ersten Phase, der Hingabe, liebe man das Beste aus dem anderen heraus. In der zweiten Phase, dem Aufbau, gehe es bei vielen Paaren um Kinder, Haus und Karriere. Manche wollten dann noch bei der Hingabe verbleiben. Aber es komme darauf an, beim Aufbau die Aufgaben gemeinsam zu lösen, auch darum zu streiten. Versäumnisse, die nicht in dieser Zeit geregelt werden, würden sich oftmals der nächsten Phase, der Mitte, rächen. Dies sei auch der Paarabschnitt der meisten Außenbeziehungen. Schließlich das Altern und die neue Zweisamkeit, bei der die Frage oft neu gestellt werde: Wollen wir uns begleiten, bis sich der Tod einen von uns aussucht? Es sei aber auch die Phase, in der Sinnlichkeit wieder entdeckt werde.
Ausführlich stellte Heike Hüsener die Brücken vor, die Paare zu- oder auseinander führen. Die Säulen heißen bei ihr Körper, Gefühl, Sprache, Sinn und Zeit. »Wenn eine Säule über einen langen Zeitraum nur sehr schmal ist, brechen wie bei einem Dominoeffekt auch die anderen Säulen weg.« Umgekehrt: Würde durch Beratung eine Säule wie Gefühl oder Zeit gestärkt, wüchsen auch die anderen wieder.
Krisen, so ihr Credo, müssten Paare nutzen. Liebe entwickele sich nicht einfach so weiter, das Gefühl müsse Nahrung bekommen. Wichtig dafür seien Zeitinseln. Ganz konkrete Handreichungen der Therapeutin waren strenge Regeln für Zwiegespräche (regelmäßig, ungestört, voll zugewandt, nie mehr als eine Stunde) sowie auch Streitgespräche, die wichtig seien und zu denen sich Paare ebenfalls verabreden sollten. Streitkultur sollte man übrigens in guten Zeiten einüben. Die Liebesmüh lohnt sich. Vielleicht.

Artikel vom 22.10.2005